Der Azteke
des Adlerordens der Mexíca.
Ich demütigte mich noch weiter, indem ich im Schwitzbad einschlief und nichts davon merkte, daß Zyanya und Stern Sänger es irgendwie schafften, mich herauszuholen und auf mein Lager zu legen. So kam es, daß es bereits heller Morgen war, ich immer noch im Bett lag und heiße Schokolade trank in dem Versuch, meinen schweren Kopf etwas zu erleichtern, als ich Zyanya endlich zusammenhängend berichten konnte, was im Palast geschehen war.
Ahuítzotl war allein im Thronsaal, als der Page und ich eintraten. Er sagte unvermittelt: »Unser Neffe Motecuzóma hat heute morgen Tenochtitlan verlassen und führt eine ansehnliche Streitmacht an, welche den Grundstock der Garnison im Xoconóchco bilden soll. Wie versprochen, haben wir im Staatsrat die bewundernswerte Rolle erwähnt, die du bei den Verhandlungen über den Zuerwerb dieses Gebietes gespielt hast; es wurde daher beschlossen, dich zu belohnen.«
Er gab ein Zeichen, der Page zog sich zurück, und gleich darauf begann der Raum sich mit anderen Männern zu füllen. Eigentlich hätte ich erwartet, daß es die Weibliche Schlange und andere Mitglieder des Staatsrates wären. Doch als ich sie durch meinen Topas hindurch betrachtete, stellte ich überrascht fest, daß es sich ausnahmslos um Krieger handelte – um die Elite der Krieger –, durch die Bank um Adlerritter in voll gefiederten Kampfanzügen, den Adlerhelm auf dem Kopf, gefiederte Vogelschwingen an den Waffen und krallenbewehrte Sandalen an den Füßen.
Ahuítzotl stellte mich ihnen vor, einem nach dem anderen – es handelte sich um die höchsten Würdenträger des Adlerordens –, und sagte: »Sie haben abgestimmt, Mixtli, und sind übereingekommen, dich – gleichsam mit einem Riesensprung – vom mittleren Rang eines Tequiua zu dem eines Ritters ihres erhabenen Ordens zu befördern.«
Selbstverständlich galt es, eine Reihe von Ritualen zu vollziehen. Wiewohl ich vor Überraschung wie auf den Mund geschlagen war, bemühte ich mich, meine Sprache wiederzufinden, um die vielen und wortreichen Eide nachzusprechen – daß ich getreu bis in den Tod für den Adlerorden selbst, für die Oberhoheit von Tenochtítlan, für die Macht und das Ansehen des Volkes der Mexíca und für den Erhalt des Dreibunds kämpfen würde. Sodann mußte ich mir den Unterarm aufritzen, die hohen Ritter taten desgleichen; wir rieben die Unterarme aneinander und vermischten brüderlich unser Blut.
Danach kleidete ich mich in den mit allen Abzeichen meines neuen Rangs versehenen Kampfanzug, so daß ich Arme gleich mächtigen Schwingen hatte, einen über und über gefiederten Körper und Füße wie die kräftigen Klauen eines Adlers. Als Höhepunkt der Zeremonie erwies sich die Krönung mit dem Helm: dem Kopf eines Adlers. Selbiger bestand aus Kork, steifem Papier und Federn, welche mit Oli daran festgeklebt waren. Der weit aufgerissene Schnabel reckte sich über meiner Stirn und unter meinem Kinn vor, und die funkelnden Augen aus Obsidian saßen mir etwas oberhalb der Ohren. Dann überreichte man mir die Zeichen meiner neuen Würde: den kräftigen Lederschild mit den federgewirkten Zeichen meines Namens darauf, die Farben, mir wild das Gesicht damit zu bemalen, den goldenen Nasenpflock, den ich tragen sollte, sobald ich es über mich brachte, mir die Nasenscheidewand zu diesem Zwecke zu durchbohren …
Hinterher nahm ich zusammen mit Ahuítzotl und den anderen Platz und fühlte mich durch die neue Kleidung recht beengt. Die Diener des Palastes trugen ein üppiges Festmahl auf und stellten viele Krüge des besten Octli vor uns hin. Ich mußte so tun, als langte ich kräftig zu, war im Grunde jedoch dermaßen aufgeregt, daß ich kaum Appetit hatte. Nur gab es keine Möglichkeit, den vielen und lautstimmig vorgebrachten Trinksprüchen zu entgehen und sie zu erwidern, welche auf mich, die anwesenden Häuptlinge des Adlerordens, auf Adlerritter, welche in der Vergangenheit einen glorreichen Tod gestorben waren, auf unseren erhabenen Oberkommandierenden Ahuitzotzin und die womöglich noch größere Macht der Mexíca ausgebracht wurden. Nach einer Weile kam ich bei den Trinksprüchen nicht mehr mit. Ich durfte den Palast daher verlassen, denn ich war mehr als nur ein wenig beschwipst und mein prächtiger neuer Kampfanzug mehr als nur ein wenig in Unordnung geraten.
»Ich bin stolz auf dich, Záa, und ich freue mich für dich«, sagte Zyanya, als ich mit meinem Bericht fertig war. »Das ist in der Tat eine
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