Der Azteke
meldete mich im Palast.
Aber ayya, war ich entsetzt, als ich die Mädchen das erstemal sah, nachdem man ihnen die Haare geschoren hatte. Ihre kahlen Köpfe sahen aus wie nackte Brüste – kegelförmig und spitz zulaufend –, und ich fragte mich, ob mein Vorschlag nicht doch ein großer Fehler gewesen sei. Ein kahler Kopf mochte bei den Purémpecha als Inbegriff der Schönheit gelten – aber ein kahler kegelförmig und spitz zulaufender Kopf? Nun, jetzt war es zu spät; sie würden kahlköpfig bleiben müssen.
Außerdem stellte sich erst jetzt heraus, daß Links und Rechts in einem gewöhnlichen Tragstuhl nicht Platz fanden und für ihre besonderen Bedürfnisse eigens ein größerer und breiterer hergestellt werden mußte, wodurch unsere Abreise sich noch um einige weitere Tage verzögerte. Doch Ahuítzotl war entschlossen, keine Mühe und kein Mittel für dieses Unternehmen zu scheuen, und als wir endlich loszogen, boten wir einen eindrucksvollen Anblick.
Zwei Palastwachen zogen voran; was freilich auffiel, war, daß sie keinerlei Waffen trugen. Ich jedoch wußte, daß sie Könner auf dem Gebiet des waffenlosen Kampfes waren. Ich selbst trug nichts weiter als meinen wappengeschmückten Schild, welcher mich als Adlerritter auswies, und das zusammengefaltete Schreiben des Uey-Tlatoáni Ahuítzotl. Ich ging neben Zyanyas von vier Mann getragenem Tragstuhl einher und spielte die Rolle des aufs Wort gehorchenden Ehemannes, welcher die Aufmerksamkeit seiner Frau auf diese und jene Besonderheit und Schönheit der Landschaft lenkte. Uns folgte der von acht Mann getragene Tragstuhl der Zwillinge; acht weitere Träger wechselten sich von Zeit zu Zeit mit den anderen ab, den schweren Tragstuhl zu tragen. Denn bei diesem handelte es sich nicht nur um einen Doppelsitz, sondern um eine Art kleiner Hütte an Tragestangen mit einem Dach darüber und Vorhängen an den beiden offenen Seiten. Den Schluß unseres Zuges bildeten viele mit unserem Gepäck, unseren Wimpeln und Vorräten beladene Sklaven.
Nach drei oder vier Tagen gelangten wir auf der nach Westen führenden Handelsstraße in ein Dorf namens Zitákuaro. Ein dort stationierter Wachtposten ließ erkennen, daß hier die Grenze von Michihuácan begann. Wir hielten, die Wachen der Purémpecha studierten voller Hochachtung das Schreiben, welches ich ihnen vorwies und tasteten danach unsere verschiedenen Gepäckstücke nur ab, ohne sie zu öffnen. Sie schienen einigermaßen verblüfft, als sie in den übergroßen Tragstuhl hineinblickten und darin in anscheinend höchst unbequemer Stellung zwei gleich aussehende Mädchen sitzen sahen. Aber die Wachen enthielten sich jeder Bemerkung. Höflich winkten sie mir und meiner Dame, mit unserem Troß durch Zitákuaro hindurch weiterzuziehen.
Von nun an wurden wir nicht wieder angehalten und auch sonst nicht kontrolliert, doch befahl ich, daß die Vorhänge am Tragstuhl des Damenpaars geschlossen blieben, auf daß sie für die Leute, an denen wir vorüberkamen, unsichtbar blieben. Ich wußte, daß ein Schnellbote den Uandákuari bereits von unserem Kommen unterrichtet hatte, wollte jedoch, daß unser Geschenk ein Geheimnis blieb und möglichst nichts darüber verlautete, bis wir in seinen Palast gelangten und ihn damit überraschen konnten. Zyanya bezichtigte mich der Grausamkeit, die Zwillinge die weite Reise machen zu lassen, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, irgend etwas von dem neuen Land zu sehen, in welchem sie fürderhin leben sollten. Deshalb ließ sie unseren Zug jedesmal, wenn ich sie auf etwas Besonderes aufmerksam gemacht hatte und der Weg frei war von irgendwelchen Zuschauern, halten, ging persönlich zu ihnen, um den Vorhang hochzuheben und ihnen zu zeigen, was immer es war. Davon ließ sie sich den ganzen Weg bis nach Michihuácan nicht abbringen, was mich einigermaßen zur Verzweiflung brachte, da Links und Rechts völlig stumpfsinnig waren und nicht die geringste Neugier für ihre Umgebung bekundeten.
Die ganze Reise wäre langweilig und ermüdend gewesen, hätte Zyanya mich nicht begleitet; jetzt war ich froh, daß sie mich bewegen hatte, sie mitzunehmen. Sie ließ mich gelegentlich sogar die Gefährlichkeit meines Auftrags vergessen, den ich an unserem Ziel auszuführen hatte. Jedesmal, wenn unsere Kolonne um eine Wegbiegung oder über die Kuppe eines Berges kam, entdeckte Zyanya etwas, was neu für sie war, stieß Laute der Bewunderung aus und hörte meinen Erklärungen mit kindlicher Aufmerksamkeit zu.
Das
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