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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ihm:
    »Das ist Götternahrung, eine Zauberspeise, und leicht zu essen. Ihr könnt sie dem Mädchen auch mit Gewalt in den Mund stecken, sie wird nicht dran ersticken.«
    Er nahm die Beine in die Hand und lief, so schnell es mit seiner Würde zu vereinbaren war …
    Eigentlich nicht anders, als seine Exzellenz es gerade eben getan haben.
    Ich klopfte Aguilar freundschaftlich auf die Schulter und sagte: »Verzeiht, daß ich Euch die Sache aus der Hand genommen habe. Aber wenn das Mädchen wieder gesund wird, wird das Verdienst daran ausschließlich Euch zugeschrieben werden, und diese Menschen werden Euch sehr ehren. Jetzt laßt uns Guerrero finden und uns hinsetzen und weiter über Eure Landsleute reden.«
    Es gab immer noch sehr viele Dinge, die ich gern von Jerónimo Aguilar und Gonzalo Guerrero erfahren hätte. Und da wir uns mittlerweile ohne allzu große Schwierigkeiten, wenn auch immer noch stockend, verständigen konnten, waren sie genauso neugierig in bezug auf unsere Lande wie ich auf ihre. Sie stellten mir etliche Fragen, bei denen ich so tat, als verstünde ich sie nicht: »Wer ist Euer König? Verfügt er über große Heere? Besitzt er große Reichtümer an Gold?« Und manche andere Fragen, deren Sinn ich in der Tat nicht begriff: »Wer sind eure Herzöge, Grafen und Barone? Wer ist der Papst eurer Kirche?« Und einige Fragen, bei denen ich nicht anstehe zu behaupten, daß niemand sie beantworten könnte: »Warum haben eure Frauen dort kein Haar?« So wehrte ich ihre Fragen ab, indem ich selber welche stellte, und sie beantworteten sie alle ohne jedes Zögern, ohne Arg und ohne Verstellung.
    Ich hätte mindestens ein Jahr bei ihnen bleiben können, mich in ihrer Sprache vervollkommnen und ihnen doch ständig neue Fragen stellen können. Dann jedoch entschloß ich mich, Hals über Kopf abzureisen; denn zwei oder drei Tage nach unserem Besuch bei dem siechen Mädchen kam der Arzt zu mir und forderte mich schweigend auf, ihn zu begleiten. Ich folgte ihm in besagte Hütte und blickte hinab auf das Gesicht des toten Mädchens, welches furchtbar aufgedunsen und von einer so schauerlich violetten Färbung war, daß ich sie nicht wiedererkannte.
    »All ihre Blutgefäße sind geplatzt und ihr Gewebe ist angeschwollen«, sagte der Heilkundige, »auch die in ihrer Nase und in der Mundhöhle. Sie ist jämmerlich gestorben, einfach in dem Versuch, atmen zu wollen.« Und fügte noch geringschätzig hinzu: »Die Speise, die Ihr mir gegeben habt, hat keinen Zauber gewirkt.«
    Ich fragte: »Und wie viele Leidende habt Ihr gerettet, ohne Zuflucht zu dieser Zauberei zu nehmen?«
    »Keine«, sagte er aufseufzend, und wurde ganz kleinlaut. »Auch meine Kollegen haben keinen einzigen Patienten gerettet. Manche sterben wie dieses Mädchen hier, das heißt, sie ersticken. Andere sterben an einem Blutsturz aus Nase und Mund. Und noch andere bei einem Tobsuchtsanfall. Ich fürchte, sie werden alle sterben, und das heißt, sie werden elendiglich zugrunde gehen.«
    Er sah die Tote an, die einst ein hübsches Mädchen gewesen sein mußte, und sagte: »Sie hat mir erzählt, dieses Mädchen hier, nur ein Geier könne von den weißen Männern Lust empfangen. Sie muß es wohl geahnt haben. Jetzt werden die Geier sich voller Lust über ihren Leichnam hermachen, und irgendwie hat ihr Sterben etwas mit den weißen Männern zu tun.«
    Als ich in den Palast zurückkehrte und selbiges Ah Tutál meldete, sagte er mit größtem Nachdruck. »Ich will diese von Krankheit befallenen und schmutzigen Fremden nicht mehr hier haben!« Ich konnte nicht herausfinden, ob er mit seinen schielenden Augen mich anfunkelte oder sein Blick an mir vorbeiging; daß jedoch Zorn in ihnen geschrieben stand, konnte ich sehr wohl sehen. »Laß ich sie jetzt in ihrem Kanu fortfahren, oder nehmt Ihr sie mit nach Tenochtítlan?«
    »Weder das eine noch das andere«, sagte ich. »Und tötet sie auch nicht, Herr Mutter, zumindest nicht eher, als bis Ihr die Erlaubnis dazu von Motecuzóma erhaltet. Ich würde vorschlagen, Ihr entledigt Euch ihrer, indem Ihr sie zu Sklaven macht. Schenkt sie irgendwelchen Häuptlingen, die sehr weit von hier entfernt leben. Die Häuptlinge sollten sich geschmeichelt und geehrt fühlen, so ein Geschenk zu erhalten. Nicht einmal der Verehrte Sprecher der Mexíca hat weiße Sklaven.«
    »Hm … ja …« machte Ah Tutál nachdenklich. »Da sind zwei Häuptlinge, gegen die ich ganz besonders etwas habe und denen ich mißtraue. Sollten die weißen

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