Der Befreier der Halblinge: Roman (German Edition)
Vergraben in der Erkenntnis, dass seine Zeit vorbei war und die Vergangenheit keine Bedeutung mehr hatte. So kann man sich täuschen, dachte der Ork in diesem Augenblick.
Dann fühlte er etwas Hartes, Metallisches. Er grub schneller, und wenig später holte er das Bruchstück einer Klinge hervor. In der kurzen Zeit hatte sie bereits Rost angesetzt. Wer hätte gedacht, dass das so schnell geht?, überlegte er. Hätte ich noch länger gewartet, wäre da vielleicht nur noch rötlicher Staub gewesen – und ein wurmzerfressener Griff aus Holz.
Wochen später saß ein anderer Ork in seiner Höhle im Gebirge westlich der Aschedünen. Sein Name war Brrk, und mit seinen vierzig Jahren war er für einen Ork schon beinahe ungewöhnlich alt. Aber Brrk hatte die letzten Jahre allein in den Bergen gelebt und sich daher aus all jenen Kämpfen herausgehalten, die üblicherweise das Leben eines Orks verkürzten. Sich Ghool anzuschließen, war nicht seine Sache gewesen. Aber er hatte sich auch nie Ghools Gegnern aus dem West-Orkreich angeschlossen, da er deren Sache von Anfang an für aussichtslos gehalten hatte.
In aller Ruhe hatte sich Brrk dem gewidmet, was ihm ohnehin von jeher am wichtigsten gewesen war: seinem Handwerk. Er galt mit Abstand als der begabteste Schmied aller Ork-Länder. Ein Schmied, unter dessen Hammerschlägen Waffen und Werkzeuge entstanden, um die andernorts schon Kriege zwischen verschiedenen Stämmen geführt worden waren.
Brrk blickte auf eine Reihe frisch hergestellter Werkstücke. Aufgereiht lagen ein paar Schwerter nebeneinander, die er in den letzten Tagen gefertigt hatte. Sie waren sehr schlank und perforiert. Brrk hatte versucht, die Schmiedekunst der Halblinge zu imitieren, deren Rapiere dadurch so leicht wie kaum eine andere Klinge wurden. Brrk hatte vor langer Zeit in der Ork-Stadt einen Halblingschmied kennengelernt, dem er bei der Arbeit zugesehen hatte. Dass ein Ork überhaupt imstande wäre, aus diesen Beobachtungen fachgerechte Rückschlüsse zu ziehen, hätte der Halblingschmied wohl nicht im Traum für möglich gehalten. Und tatsächlich hatte Brrk lange Jahre gewartet, bis er es schließlich gewagt hatte, seine Erkenntnisse umzusetzen und eine Klinge zu schmieden.
Brrk betrachtete seine Werke.
Gut ist etwas anderes, dachte er. Aber Metalle hatten ja die angenehme Eigenschaft, dass man sie wieder einschmelzen konnte. Ein Geräusch ließ Brrk aufhorchen. Jemand näherte sich seiner Höhle. Seit der Zeit, da er hier in den Bergen schon für sich lebte, hatte er sein Gehör trainiert, denn es wimmelte von wilden Tieren, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Und davon abgesehen war er natürlich bei jenen Orks, die Ghool folgten, nicht gut gelitten. Bei den wenigen, die sich gegen ihn gestellt und dies überlebt hatten, allerdings auch nicht. In jedem Fall musste er also damit rechnen, dass ein Besucher nicht in friedlicher Absicht kam, ganz gleich ob es sich um einen Berglöwen oder einen Ork handelte.
Brrk griff nach zwei der frisch geschmiedeten Klingen.
Gut genug abgekühlt waren sie– und so konnte man jetzt vielleicht sehen, was seine Schmiedekunst taugte!
Die Gestalt eines Orks erschien am Höhleneingang und hob sich dunkel gegen das Tageslicht ab.
» Wer bist du? « , fragte Brrk.
» Ein Ork wie du. Lass mich eintreten! «
» Wenn du das erfragst, kannst du kein Ork sein! Denn wenn du ein Ork wärst, würdest du einfach eintreten, ohne zu fragen, und dir nehmen, was du willst– und meine Klinge zwischen den Rippen spüren. «
Brrk hielt in jeder Hand eine der Klingen, und sie kamen ihm in diesem Moment doch arg schmal und leicht vor. Auch wenn das bedeutete, dass man mit ihnen schneller parieren konnte, so fühlten sich diese Waffen einfach nicht mächtig genug an.
Der Ork trat ein. Eine monströs große Axt hing ihm über den Schultern. Eine Doppelklinge natürlich. Brrk hatte Hunderte davon geschmiedet. Je größer sie waren, desto besser konnte er sie verkaufen. Orks liebten große Waffen, selbst wenn man damit nicht immer besser kämpfen konnte.
Doch dieser Ork konnte so ohne Weiteres überhaupt nicht kämpfen, denn in seinen Pranken hielt er ein in Hornechsenleder eingeschlagenes Bündel.
» Ich war lange nicht unter meinesgleichen. Mein Benehmen hat dadurch etwas gelitten « , sagte der fremde Ork. » Du bist Brrk, der beste Schmied der Orkheit, wie ich weiß. «
» Kommt drauf an, wer fragt. Wenn du ein Anhänger von Ghool bist, schlage ich dir gerne den
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