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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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ehe er zu Ende gesprochen hatte. Ich war nicht interessiert an der gut gemeinten, aber letztlich grenzüberschreitenden »Beziehungsberatung«, die mir mein frisch geschiedener, schwer alkoholgefährdeter Englischlehrer erteilen wollte. »Aber soweit ich aufgrund meiner jüngsten Informationen weiß, war das alles nichts als ein Gerücht. Ein angebliches Vorkommnis, für das es keinerlei Beweise gibt.« Ich sah ihn an und hielt den Blickkontakt, obwohl ich soeben gelogen hatte. Ich meine, auch wenn Ava und ich mehr oder weniger auf frischer Tat ertappt worden sind, hat Damen schließlich kein Foto gemacht. Es gibt kein zweites Video von mir, das auf YouTube die Runde macht. »Wenn ich also nicht offiziell unter Anklage stehe« - ich hielt inne, um mich zu räuspern, teils um des theatralischen Effekts willen, teils weil ich selbst nicht fassen konnte, was ich als Nächstes sagen wollte -, »dann bleibe ich so lange unschuldig, bis meine Schuld erwiesen ist.« Er stutzte und wollte etwas sagen, doch ich war noch nicht fertig. »Wenn Sie also nicht über mein Verhalten in Ihrem Unterricht mit mir reden wollen, das, wie wir beide wissen, vorbildlich ist, oder über meine Noten, die zufälligerweise mehr als vorbildlich sind, wenn Sie also über keines dieser beiden Dinge diskutieren wollen, dann würde ich sagen, dass wir hier mehr oder weniger fertig sind.«
    Zum Glück läuft es mit Mr. Munoz ein bisschen leichter, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich von mir aus auf ihn zugehe. Mein renaissancebegeisterter Geschichtslehrer könnte nämlich genau der Richtige sein, um mir bei der Suche nach dem Namen eines bestimmten Krauts behilflich zu sein, das ich zur Herstellung des Elixiers brauche.
    Als ich es gestern Abend auf Google recherchieren wollte, wurde mir klar, dass ich keine Ahnung habe, was ich ins Suchfeld eingeben soll. Und nachdem Sabine mich immer noch mit Argusaugen bewacht, obwohl ich so normal esse und trinke, wie ich kann, kann ich mich unmöglich ins Sommerland verdrücken, nicht einmal für ein paar Minuten.
    Damit ist Mr. Munoz meine letzte Hoffnung - oder zumindest meine nächstliegende Hoffnung. Denn dadurch, dass Damen gestern all diese Flaschen in den Ausguss geleert hat, ist die Hälfte meines ohnehin schon mageren Vorrats verschwunden. Und das heißt, dass ich für Nachschub sorgen muss. Viel Nachschub. Und zwar nicht nur, um für die Zeit von jetzt bis zu dem Moment, wenn ich gehe, meine Kraft zu bewahren, sondern ich brauche auch große Mengen davon für Damens Genesung.
    Da er nie dazu gekommen ist, mir das Rezept zu geben, kann ich mich nur an das halten, was ich in der Kristallscheibe gesehen habe, als ich seinen Vater bei der Zubereitung des Tranks beobachtete, wo er die Namen sämtlicher Zutaten laut vor sich hin gesprochen hat, ehe er die letzte seinem Sohn ins Ohr flüsterte, und zwar so leise, dass ich es unmöglich verstehen konnte.
    Doch Mr. Mufioz ist mir leider überhaupt keine Hilfe. Nachdem er ziellos in einem Stapel alter Bücher herumgeblättert und rein gar nichts in Erfahrung gebracht hat, sieht er mich an und sagt: »Ever, ich kann die Antwort auf deine Frage leider nicht finden, aber wo du schon mal da bist...«
    Ich hebe die Hand und hindere ihn daran, weiterzusprechen. Und obwohl ich nicht stolz darauf bin, wie ich mit Mr. Robins umgesprungen bin, werde ich Mr. Mufioz mit der gleichen Masche kommen, wenn er sich nicht zurückhält.
    »Glauben Sie mir, ich weiß, worauf Sie hinauswollen.« Ich nicke und sehe ihm in die Augen. »Aber Sie haben das alles völlig falsch verstanden. Es ist nicht so, wie Sie denken ...«Ich halte inne, als mir klar wird, dass dieses Dementi als eines der lahmsten aller Zeiten rüberkommen wird. Ich meine, ich habe gerade darauf angespielt, dass es zwar passiert sein könnte, jedoch nicht so, wie er glaubt. Was im Grunde auf ein Schuldbekenntnis hinausläuft - allerdings eines mit mildernden Umständen.
    Ich schüttele den Kopf und rolle in Gedanken über mich selbst die Augen. Gut gemacht, Ever, denke ich. Mach nur so weiter, dann muss dich Sabine noch anwaltlich vertreten.
    Und dann sieht er mich an, und ich sehe ihn an, und wir schütteln beide den Kopf und stimmen stillschweigend darin überein, es dabei zu belassen.
    Doch gerade als ich meine Tasche packe und gehen will, streckt er den Arm nach mir aus und berührt mit der Hand meinen Ärmel. »Kopf hoch«, sagt er. »Es wird alles wieder gut.«
    Und das ist schon genug. Diese simple Geste

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