Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
Vom Netzwerk:
den
Versuch, auch die Rolle der Medien und vor allem der Bild-Zeitung
in der Krise zu thematisieren.
    Dennoch setzt sich in der FDP-Zentrale im Thomas-Dehler-Haus
nach Bekanntwerden der Mailbox-Nachricht des Bundespräsidenten
die Einschätzung durch, dass Wulff nicht mehr zu retten ist. „Von dem
Punkt an wurde es richtig ernst", erinnert sich ein führender Liberaler.
Als noch das Hin und Her um Wulffs Ankündigung dazukommt, alle
Fragen und Antworten ins Internet zu stellen, sieht die Parteiführung
schwarz. Mitte Januar bringt Wolfgang Kubicki, der FDP-Fraktionschef in Schleswig Holstein, die Wahrnehmung der Liberalen in einem
Interview auf den Punkt: Er sei überrascht, und zwar nicht wegen der
Einzelheiten zu Wulffs Hausfinanzierung, „aber wegen der mangelnden
Professionalität, die der Bundespräsident bei der Bewältigung seiner
Probleme an den Tag legt. Er kann nicht erklären, dass er alles transparent macht. Und dann handelt er genau entgegengesetzt."

    SPD und Grüne reagieren zunächst sehr zurückhaltend, als der Bundespräsident unter Druck gerät. Da sie keine Mehrheit in der Bundes versammlung haben, gibt es auch kein strategisches Interesse daran,
gezielt einen Rücktritt des Staatsoberhaupts herbeizuführen, zumal so
kurz nach dem Rücktritt von Horst Köhler. Mit seinem Schwerpunktthema Integration hat Wulff außerdem eher eine rot-grüne Agenda.
So meint Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, vier
Tage nach Wulffs Rücktritt in einem Interview mit dem Spiegel, er sei
durchaus der Auffassung, „dass Christian Wulff mit seiner Integrationsrede - und dieses Thema hat er ja kontinuierlich beibehalten - etwas getan hat, das meiner Erwartung an einen Bundespräsidenten
entspricht. Damit hat er sich in den eigenen Reihen ja nicht nur Freunde gemacht. Ich kann über seine so kurze Präsidentschaft kein Urteil
fällen. Aber ich würde Herrn Wulff konzedieren, dass er den Mut zu
einer klaren Agenda in dieser Frage hatte."

    Auch die SPD hat ihren Frieden mit Wulff in den Monaten nach
seiner Wahl gemacht. Mit kleinen, aber wichtigen Gesten konnte
Wulff bei der SPD-Führung punkten: So flog er am 7. Dezember 2010
nach Warschau - Anlass war der 40. Jahrestag von Willy Brandts
Kniefall vor den Opfern des Warschauer Ghettos. Der Bundespräsident wurde vom Außenexperten der SPD, Gernot Erler, begleitet,
SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm ebenfalls teil. Bei dem Besuch sagte
Wulff, er selbst sei 1970 ergriffen und tief beeindruckt von dieser
„großartigen menschlichen Geste der Demut" gewesen. Brandt habe
damit die Verantwortung für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
zum Ausdruck gebracht. Die Verneigung vor der SPD-Ikone wirkt: Er
wisse als Sozialdemokrat zu schätzen, dass Wulff an diesem Jahrestag
nach Polen gereist sei, meinte Sigmar Gabriel. Tatsächlich hat es Wulff
in den ersten Monaten seiner Amtszeit geschafft, sich glaubhaft als
Präsident über den Parteien zu etablieren.
    In der ARD-Talkshow „Anne Will" zeigt Jürgen Trittin Mitte Dezember 2011, als Wulffs Hausfinanzierung die Schlagzeilen beherrscht,
sogar Verständnis dafür, dass Wulff auf die parlamentarische Anfrage
der Grünen im niedersächsischen Landtag seinen Privatkredit verheimlicht hat. Im „Meinungskampf" der Landespolitik komme so
etwas schon einmal vor, konzediert Trittin, Wulff müsse sich nun dafür entschuldigen. SPD und Grüne beschränken sich deshalb zunächst darauf, von Wulff Aufklärung zu fordern. Zu Weihnachten
warnt SPD-Chef Sigmar Gabriel sogar in einem Interview mit der Welt
vor einer drohenden Staatskrise, sollte mit Wulff nun der zweite Bundespräsident innerhalb von zwei Jahren zurücktreten. Gabriel spricht
sich damit ausdrücklich gegen einen Rücktritt des Bundespräsidenten
aus. Letztlich greifen SPD und Grüne die Stimmung in der Bevölkerung auf, die mit Fortschreiten der Krise zwar zunehmend Zweifel an
Wulffs Glaubwürdigkeit hat, aber bei der Empörung in den Medien
und den Rücktrittsforderungen zunächst nicht mitgeht. Eine Woche
nachdem Gabriel vor einer Staatskrise gewarnt hat, sieht die Welt aus
Sicht des SPD-Chefs allerdings anders aus. Mit Bekanntwerden der
Mailbox-Geschichte zum Jahreswechsel ändert sich die Strategie: Die
Opposition verschärft den Ton spürbar. Die Affäre Wulff wird zur
Affäre Merkel erklärt. Während die Opposition bis dahin darauf verzichtet hat, die Krise um den Bundespräsidenten parteipolitisch

Weitere Kostenlose Bücher