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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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gesehen unterstützen die Umfragewerte diesen Ansatz:
Immerhin noch die Hälfte der Bevölkerung ist der Ansicht, dass Wulff
im Amt bleiben kann, obwohl die Medien eigentlich ausnahmslos den
Rücktritt fordern. Dementsprechend zielt das Fernsehinterview primär
auf die Bevölkerung. Gleichzeitig versucht Wulff, das Mailbox-Desaster auszubügeln und sich bei den Medien zu entschuldigen. Das Interview enthält darüber hinaus eine grundsätzliche Botschaft an die
Medien: Wulff räumt ein, sein Verhältnis zu den Medien „neu ordnen"
zu müssen. Das wird vor allem als Reaktion auf die öffentliche Empörung über seine Mailbox-Nachricht verstanden, als Zeichen der Reue.
Es soll jedoch noch mehr sein, nämlich auch ein Signal an die Medien,
dass sich die Medienstrategie des Bundespräsidenten insgesamt ändern
soll. Es ist das Eingeständnis eines Fehlers, dass Wulff geglaubt hat,
als Bundespräsident auf die Medien nicht mehr angewiesen zu sein.
Der größte Teil der Medien erlebt die ausgestreckte Hand allerdings
als Schlag ins Gesicht, da der Präsident sich mit seiner Entscheidung
für ein Fernsehinterview bei ARD und ZDF gleichzeitig auch allen
anderen Medien entzieht.

    Während die Medien den TV-Auftritt ausnahmslos negativ kommentierten, sehen ihn Medienwissenschaftler überwiegend positiv.
„Er hat sich den Umständen entsprechend sehr gut geschlagen, ist
sehr souverän aufgetreten und hat vernünftige Antworten gegeben",
meint der Mainzer Medienexperte Kepplinger rückblickend. Und sein
Kollege Pörksen stellte bei n-tv bereits wenige Tage nach dem Interview des Bundespräsidenten fest, er habe überhaupt „das erste Mal
eine überlegte Strategie" bei Wulff erkannt. Wie wenig stringent diese ist, wird im Fernsehinterview allerdings sehr deutlich. So erwähnt
Wulff in einem Nebensatz die Gerüchte im Internet über das angebliche Vorleben seiner Frau, als er en passant dazu meint: „Wenn Sie
da sehen, was da über meine Frau alles verbreitet wird an Fantasien."
Noch am Abend vor dem Fernsehinterview hatte Wulffs Beraterteam
intensiv darüber diskutiert, wie man mit dem Thema umgehen soll.
Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits erste Anspielungen darauf in der
BerlinerZeitung und in der ARD-Sendung „Günther Jauch", was man im Bellevue aufmerksam registriert hat. Wulff und seine Berater befürchten, dass die Geschichte früher oder später in irgendeiner Form
in der Zeitung stehen könnte, obwohl die Gerüchte gegenstandslos
sind. Die ersten Andeutungen lassen die Sorgen in der Tat begründet
erscheinen. Am Ende hatten Wulffs Berater ihm dringend davon abgeraten, in dem Fernsehinterview auf die Gerüchte einzugehen. Er
macht es dennoch. So wie der Bundespräsident das Thema anspricht,
verstehen es nur diejenigen, die ohnehin bereits davon gehört haben,
für alle anderen wirft die Anspielung nur Fragen auf. Wulff selbst
trägt mit seiner Bemerkung dazu bei, die Gerüchte zu verbreiten. Da
er sie selbst andeutet, fordert er die Medien regelrecht dazu auf, darauf einzugehen, denn die Bemerkung während des Interviews ist erklärungsbedürftig: Ein großer Teil der Bevölkerung versteht sie nicht,
da viele von den Gerüchten über Bettina Wulff noch gar nichts mitbekommen haben.

    Nach der vernichtenden Kritik der Medien an seinem TV-Interview
Anfang Januar wächst auch in Christian Wulff die Verzweiflung. In
diesen ersten Januartagen stellt der Bundespräsident bei einer der regelmäßigen Besprechungen mit seinen engsten Mitarbeitern das einzige Mal in den Wochen der Krise die Frage, ob ihm jemand zum
Rücktritt rate. Eine Mitarbeiterin nimmt in diesem Moment ihren
Mut zusammen und sagt ihm, Wulff möge sich bewusst machen, was
ihm und seiner Familie womöglich noch bevorstehe. Ohne es auszusprechen, rät sie ihm zum Rücktritt. Im Bellevue greift in der ersten
Januarhälfte Endzeitstimmung um sich. Doch der Bundespräsident
entscheidet sich weiterzumachen, er ist entschlossen, die Sache durchzustehen. Wulff beweist ein fast übermenschliches Stehvermögen in
den Wochen der Krise. Seine Mitarbeiter erleben nicht ein einziges
Mal, dass er die Fassung verliert oder ihn körperlich oder psychisch
die Kräfte verlassen. Nach außen wie nach innen gibt Wulff sich alle
Mühe, Normalität zu signalisieren: Wie vor der Krise auch sieht man den Bundespräsidenten wie selbstverständlich in der Kantine des Präsidialamts zu Mittag essen.

    Allerdings scheitern alle Versuche,

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