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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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dünnen Lippen. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, fuhr er mit hinterhältigem Lächeln fort: »Nach seinem unglücklichen Ende denke ich über Burkhard natürlich ganz anders. Seit seiner Ermordung gewannen die Bemerkungen, die ich früher als überspanntes Geschwätz eines mit dem Leben im Zorn liegenden Greises abtat, eine völlig neue Bedeutung. Lebhaft sehe ich vor mir, wie er – es war wenige Tage vor seinem Tod – ja, wie er mit verkniffenem Mund ein Amulett mit silberner Lanze hervorkramte. Er drehte es in seinen Fingern, wieder und immer wieder drehte er es hin und her.«
    Rupert zog seine fein geschwungenen Brauen in die Höhe. Offenbar bemerkte auch Wilhelm eine angespannte Atmosphäre, denn nachdem er das Profil des Templers mit einem forschenden Blick gestreift hatte, beugte er sich näher zu ihnen herüber.
    »Da besann ich mich«, ergänzte Gerwin, der sich an der Wirkung seiner Rede weidete, »ja, ich besann mich darauf, dass es einen Bund gab, der sich unter dem Namen ›Die silberne Lanze‹ zusammengeschlossen hatte, damals beim Feldzug nach … «
    Laetitia war verblüfft. Das klang so, als wollte Gerwin Rupert mit versteckten Andeutungen über das Amulett mit der silbernen Lanze unter Druck setzen. Sie hegte nun keinen Zweifel mehr, dass er sie und Sebastian damals an der Mauer belauscht hatte, – offenbar mit größtem Erfolg. Gerwin hatte wohl nicht locker gelassen, nachdem ihm Laetitia den Bericht über den Apulienfeldzug entrissen hatte. Ob er Zugang zu anderen Quellen gefunden hatte, um sich das begehrte Wissen zu verschaffen? Vielleicht gab es eine Kopie des Schriftstücks in Alberos Archiven? Hatte es ihn zu den gleichen Schlüssen geführt wie sie? Die Situation ließ sich fast nur so deuten.
    Als Nächstes kam Gerwin ein Satz über die Lippen, der von einem Wissenden nur als versteckte Drohung interpretiert werden konnte. »Ihr glaubt gar nicht, wie detailliert die Aufzeichnungen von Balderich geraten sind. Feinsäuberlich hat er die Namen der tapferen Männer aufgelistet, die diesem Bund angehörten!«
    Wenn das mal keine unverschämte Lüge ist!, dachte Laetitia, sonst müsste der Bericht, den sie aus der Bibliothek entwendet hatte, diese Information gewiss ebenfalls enthalten. Aber wenn Gerwin Rupert tatsächlich erpressen wollte, reichte ja die reine Behauptung , um den Köder zu legen.
    »Und alle Bündnismitglieder«, säuselte Gerwin weiter, »besitzen ein solch prächtiges Amulett, sofern sie es nicht irgendwann … ähem … nun ja … verloren haben.«
    Regungslos saß Laetitia da und starrte Rupert ins Gesicht, dessen Kiefer lautlos mahlten, ohne dass er auch nur eine einzige Silbe erwiderte. Auch sonst sagte keiner an ihrem Tisch einen Ton. Das unangenehme Schweigen wurde schließlich durch den hellen Klang einer Glocke unterbrochen. Alle Augen richteten sich auf Sebastian. Bester Laune rief er die Gäste auf, sich bei ihm in der Mitte des Raumes einzufinden, wo soeben noch getanzt worden war, um sich an der Darbietung eines Sängers zu erfreuen. Jedermann leistete Folge, nur der Erzbischof, dem verständlicherweise der Sinn nicht nach seichter Zerstreuung stand, verabschiedete sich. Genau wie Karolina, die als Begründung angab, in Sorge um eine kranke Novizin zu sein, nach der sie sehen wollte.
    Laetitia war durch Gerwins Verhalten und dem Lauern auf eine verräterische Reaktion Ruperts viel zu aufgewühlt, um in das Lachen der anderen Gäste einzufallen, denen die Dichtung des Spielmanns großen Spaß bereitete. Es mochte nicht mehr weit bis Mitternacht sein und das Fest würde sich bald seinem Ende neigen. Tatsächlich erhob Edgar die Stimme und richtete seine Abschiedsworte an die Gäste. Jeder trat zurück an seinen Platz, um im Stehen seinen Becher zu ergreifen und einen letzten Schluck Wein auf das Wohl des Gastgebers zu trinken.
    Plötzlich zuckte Laetitia zusammen, denn ein derber Griff umfasste ihren Arm. Finger krallten sich so grob in das lichtblaue Tuch ihres Gewandes, dass ihr ein Schmerzenslaut entfuhr. In wortlosem Entsetzen starrte sie in die weit aufgerissenen Augen von Gerwin, dessen Kraft langsam nachließ. Taumelnd beugte er sich nach vorn, um im verzweifelten Kampf an der Tischkante nach Halt zu suchen. Vergebens. Laetitia war wie gelähmt. Ein Röcheln, das ihr eisige Schauer über den Rücken sandte, kam aus Gerwins Lungen. Dann sank er zu Boden. Noch einmal verkrampften sich seine Hände, bevor seine Augen erstarrten. Das Entsetzen kannte

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