Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
eine andere?«
»Nein, da gibt es niemanden«, antwortete Hiroshi.
»Du weiÃt ja, wie sehr du von meiner Familie geschätzt wirst«, fuhr Takeo fort. »Für meine Töchter warst du wie ein Bruder. Wäre der Altersunterschied zwischen uns gröÃer, dann würde ich dich als einen Sohn ansehen.«
»Ich möchte Sie bitten, nicht fortzufahren«, sagte Hiroshi. Er war am Hals errötet. Offenbar fühlte er sich unwohl und versuchte, dies mit einem Lächeln zu verbergen. »Sie sind glücklich verheiratet und möchten daher, dass alle anderen es auch so gut haben! Doch ich fühle mich zu einem anderen Weg berufen. Meine einzige Bitte besteht darin, ihm folgen zu dürfen.«
»Das würde ich dir niemals verwehren!«, erwiderte Takeo und beschloss, die Frage der Heirat vorerst auf sich beruhen zu lassen. »Doch ich habe eine Bitte an dich: Begleite uns im nächsten Jahr zur Hauptstadt. Wie du weiÃt, mache ich diesen friedlichen Besuch auf Bitte der Meister des Weges des Houou. Ich möchte, dass du dabei bist.«
»Das ist eine groÃe Ehre«, antwortete Hiroshi. »Ich danke Ihnen.«
»Auf den Rat der Meister hin wird auch Shigeko mitkommen. Du sollst wie immer für ihre Sicherheit sorgen.«
Hiroshi verneigte sich schweigend.
»Meine Tochter hat vorgeschlagen, das Kirin mitzunehmen. Es wird ein unvergleichliches Geschenk für den Kaiser sein.«
»Sie wollen das Kirin weggeben!«, rief Hiroshi.
»Ich würde alles weggeben, wenn unser Land dadurch in Frieden weiterleben kann«, erwiderte Takeo.
Auch Shigeko? Keiner von beiden sprach diese Worte aus, doch sie klangen in Takeos Kopf nach. Er hatte noch keine Antwort darauf.
Irgendetwas an diesem Gespräch hatte Takeo hellhörig gemacht, denn wenn er beim Abendessen nicht mit Lord Kono, Zenko und Hana beschäftigt war, merkte er, dass er Hiroshi und seine Tochter genauer beobachtete als sonst. Beide waren recht schweigsam und ernst und wechselten kaum ein Wort oder einen Blick miteinander. Er konnte kein Anzeichen für besondere Gefühle entdecken und nahm an, Shigeko hätte ihr Herz bis jetzt niemandem geöffnet. Aber natürlich konnten beide ihre Gefühle bestens verbergen.
Das Essen war feierlich und elegant und bestand aus den herbstlichen Spezialitäten des Westens: Kiefernpilzen, winzigen Krabben und Garnelen, gesalzen und knusprig, Kastanien und Ginkgonüssen, die auf lackierten Tabletts und in hellbrauner Keramik aus Hagi serviert wurden. Kaede hatte geholfen, die frühere Schönheit der Residenz wiederherzustellen: Die Matten waren grün-golden und dufteten süÃ, die Dielen und Balken glänzten warm, dahinter standen Wandschirme, verziert mit den Vögeln und Blumen des Herbstes: Regenpfeifer und Backenklee, Wachteln und Chrysanthemen. Takeo fragte sich, wie Kono all dies fand und ob es einem Vergleich mit dem Hof des Kaisers standhielte.
Er hatte sich für die Abwesenheit seiner Frau entschuldigt und sie mit ihrer Schwangerschaft erklärt, under fragte sich, ob diese Neuigkeit eine Enttäuschung für Zenko und Hana darstellte, weil es eine Verzögerung bei der Adoption eines ihrer beiden Söhne bedeutete. Er bildete sich ein, ganz kurz ein leichtes Missbehagen spüren zu können, bevor Hana zu überbordenden Glückwünschen ansetzte, ihrer Freude Ausdruck verlieh und sagte, sie hoffe, ihre Schwester werde einen Sohn bekommen. Takeo wiederum war sehr darauf bedacht, Sunaomi und Chikara zu loben â was nicht schwierig war, da er die beiden Jungen tatsächlich sehr gernhatte. Â
Kono sagte höflich: »Ich habe Briefe aus Miyako erhalten. Allem Anschein nach wollen Sie den Kaiser im nächsten Jahr besuchen.«
»Sollte er mich empfangen, dann ist genau das meine Absicht«, erwiderte Takeo.
»Ich glaube schon, dass er Sie empfängt. Alle sind neugierig auf Sie. Selbst Lord Saga Hideki hat seinem Wunsch Ausdruck verliehen, Sie kennenzulernen.«
Takeo merkte, wie Zenko die Ohren spitzte, obwohl er den Blick gesenkt hielt. Wenn sie mich dort in einen Hinterhalt locken und töten, wird Zenko im Westen bereitstehen und mit dem Segen des Kaisers aufrücken  â¦
»Lord Saga denkt sogar an eine Sportveranstaltung oder einen Wettstreit. Wie er mir schreibt, würde er sich mit Lord Otori lieber in irgendeinem Spiel messen, als das Blut Tausender Männer zu
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