Der Codex
zurück, indem er über den Kadaver trat. Er grinste. »Schon mal Agouti gegessen?«
»Nein. Und ich hab auch nicht vor, damit anzufangen.«
»Gehäutet, ausgenommen, filetiert und auf Holzkohle gebraten war es eins von Maxwells Leibgerichten. Schmeckt fast so wie Hähnchen.«
Philip sagte nichts. Hauser behauptete dies von jeglichem Buschfleisch, das zu essen sie bisher gezwungen gewesen waren. Schmeckt wie Hähnchen.
»Ach!«, sagte Hauser, als sein Blick auf Philips Hemd fiel. »Tut mir Leid.«
Philip blickte an sich herab. Ein einzelner Tropfen frischen Blutes hatte ihn getroffen und wurde nun vom Stoff aufgesaugt. Er wollte ihn abwischen, doch da verschmierte er ihn nur. »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie etwas vorsichtiger wären, wenn Sie mit enthaupteten Tieren um sich werfen«, sagte er, tauchte sein Taschentuch ins Wasser und versuchte, den Fleck wegzurubbeln.
»Gar nicht so einfach, im Dschungel die Hygiene aufrechtzuerhalten«, meinte Hauser.
Philip rubbelte noch ein wenig, dann gab er es auf. Es w ä re ihm lieber, Hauser würde ihn in Ruhe lassen. Der Mann wurde ihm allmählich unheimlich.
Hauser zog ein paar CDs aus der Tasche. »Und jetzt, um der sich immer mehr um sich greifenden Barbarei etwas entgegenzusetzen ... Möchten Sie lieber Bach oder Beeth o ven hören?«
14
Tom Broadbent fläzte sich in der Executive Suite des Sheraton Royale de San Pedro Sula in einem dick gepolsterten Fauteuil und nahm eine Landkarte in Augenschein. Sein Vater war mit der gesamten Fracht in die an der Moskito-Küste liegende Stadt Brus Laguna geflogen, die an der Mündung des Río Patuca lag. Dort war er verschwunden. Es hieß, er sei den Fluss hinaufgefahren - der einzige Weg durch das riesige, gebirgige und wilde Innere von Hond u ras.
Tom folgte der sich schlängelnden blauen Linie des Flu s ses auf der Landkarte mit dem Finger. Sie führte durch Sümpfe, über Hügel und Hochplateaus, bis sie sich in e i nem Netz von Zuflüssen verlor, die einer gezackten Linie parallel verlaufender Bergketten entströmten. Auf der Landkarte waren weder Straßen noch Ortschaften ve r zeichnet; es war wirklich ein gottverlassener Fleck Erde.
Tom hatte in Erfahrung gebracht, dass Philip ihnen mindestens eine Woche und Vernon ihnen fast zwei Wochen voraus waren. Er machte sich große Sorgen um seine Br ü der. Man brauchte Mumm, zwei Polizisten schnell und e r folgreich umzubringen. Der Killer war eindeutig ein Profi gewesen. Seine Brüder standen bestimmt als nächste Opfer auf seiner Liste.
Sally kam, in ein Handtuch gewickelt, aus dem Bad und trat vor sich hin summend ins Wohnzimmer der Suite. Das nasse, glänzende Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Als sie in ihrem Schlafzimmer verschwand, folgte Tom ihr mit e i nem Blick. Sie war noch größer als Sarah ...
Bei diesem Gedanken hielt er jäh inne.
Zehn Minuten später war Sally wieder da: in leichtes Khaki gekleidet - ein langärmeliges Hemd, einen Leinenhut mit Moskitonetz vor dem Gesicht und stabilen Handschuhen. All dies hatte sie heute Morgen bei einem Einkaufsbummel erstanden.
»Wie sehe ich aus?«, fragte sie und drehte sich um.
»Wie 'ne Afghanin.«
Sally schob das Moskitonetz hoch und nahm den Hut ab.
»Das ist schon besser.«
Sie warf Hut und Handschuhe aufs Bett. »Ich muss zugeben, dass ich sehr neugierig bin, was Ihren Vater angeht. Er muss ein echter Exzentriker gewesen sein.«
»War er wirklich.«
»Und wie war er sonst? Falls Sie nichts dagegen haben, wenn ich danach frage.«
Tom seufzte. »Wenn er einen Raum betrat, haben sich alle umgedreht. Er hat irgendwas ausgestrahlt - Autorität, Kraft, Zuversicht. Ich weiß nicht genau was. Die Menschen hatten Ehrfurcht vor ihm, auch wenn sie ihn gar nicht kan n ten.«
»Ich kenne diesen Typ.«
»Wo er auch hinkam, was er auch getan hat, die Journalisten waren ständig hinter ihm her. Manchmal warteten P a parazzi vor unserem Grundstück. Selbst wenn wir nur zur Schule gingen, hingen die verdammten Fotografen uns an den Fersen und jagten uns über den Old-Santa-Fe-Trail hi n terher - als wären wir Prinzessin Diana oder jemand in der Art. Es war einfach lächerlich.«
»Es muss eine Last für Sie gewesen sein.«
»Es war nicht immer eine Last. Manchmal hat es sogar Spaß gemacht. Wenn unser Vater heiratete, war es immer eine Nachricht wert. Dann haben alle den Kopf geschüttelt oder mit der Zunge geschnalzt. Er hat immer extrem schöne Frauen geheiratet, von denen zuvor noch nie
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