Der Dieb der Finsternis
Eiswürfeln und dann mit Wasser. »Ich kann ihn über Funk nicht erreichen.«
»Ist noch nicht wieder draußen.«
»Wo ist Iblis?« KC kroch durch den hinteren Teil der Limousine, beugte sich dann über den Beifahrersitz und schaute durch die Windschutzscheibe. Suchend glitt ihr Blick über die Wagen, die auf der Straße standen. Dabei trank sie gierig das Wasser.
»Ich habe ihn verloren«, erwiderte Busch. Er war nicht imstande, KC anzuschauen.
»Was meinst du damit?« KCs Stimme bekam einen ängstlichen Beiklang.
»Ich habe ihn verloren. Er hat sich unter die VIPs gemischt und ist im Topkapi-Palast verschwunden.«
»Weiß Michael davon?« KC ließ sich in den hinteren Teil der Limousine sinken und schaltete ihr Funkgerät ein, hörte aber nichts als Rauschen. »Iblis will sich die Karte holen. Er wird Michael töten, um sie an sich zu bringen. Wie konntest du zulassen, dass er in solche Gefahr gerät?«
»Glaub mir, ich mache mir selbst schon Vorwürfe genug. Mich würden sie nicht mal auf diese Party lassen, wenn ich eine Einladung mit Goldrand hätte. Ich versuche seit über einer halben Stunde, ihn anzufunken. Vergiss bitte nicht, dass er mein Freund ist.«
»Ich weiß«, erwiderte KC. »Ich hätte mit ihm gehen sollen.«
»Michael weiß, was er tut. Er kann auf sich selbst aufpassen. Ich kenne ihn.«
»Ja, und ich kenne Iblis.« KC spie den Namen ihres Lehrmeisters, als wäre er Gift.
Im nächsten Moment riss sie ihr schwarzes Oberteil und die Hose vom Körper. Sie nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Barfach, goss das Wasser auf eine Serviette und rieb damit über ihr Gesicht und ihre Arme, wischte sich den Staub und den Tod aus den Särgen und Grüften von der Haut. Dann bemalte sie ihre Lippen mit einem rubinroten Lippenstift, legte einen unauffälligen Lidschatten auf und war einmal mehr dankbar dafür, ein Gesicht zu haben, das keines dicken Make-ups bedurfte. Sie griff in ihre Prada-Tasche und zog das bodenlange mitternachtsblaue Abendkleid heraus, das sie in der Hotelboutique erstanden hatte, und streifte es über. Das Kleid liebkoste ihre Körperformen wie eine zweite Haut. Es war an beiden Seiten geschlitzt und zeigte mehr Bein, als Busch für möglich gehalten hätte. Es war perfekt, nicht nur in modischer, auch in funktionaler Hinsicht, denn es schränkte ihre Beinfreiheit nicht ein und erlaubte ihr, körperlichen Aktivitäten nachzugehen, die für gesellschaftliche Anlässe nicht gerade typisch waren.
»Ich wusste, dass du eine Gelegenheit finden würdest, das Kleid zu tragen«, meinte Busch.
KC ignorierte Buschs Kommentar und bürstete sich die blonden Haare; die Halskette von Tiffany, die Michael ihr gegeben hatte, legte sie ab und steckte sie in eine kleine Schmucktasche, aus der sie ein Diamanthalsband zutage förderte sowie Diamant-Ohrstecker. Sie legte die Schmuckstücke an und schlüpfte in Pumps mit acht Zentimeter hohen Absätzen. Dann hob sie ihre Handtasche vom Boden und öffnete sie.
Die Prada-Tasche war eine Sonderanfertigung. Ihr Innenleben war wasserdicht und verfügte über Seitenfächer für diverse Utensilien, die vonnöten waren, um erfolgreich Schlösser zu knacken, sowie über Innentaschen für Leuchtstäbe, Geld und ein dünnes Messer, das aussah wie eine Nagelfeile. In einem Seitentäschchen steckte ein mit zwölf Diamanten besetztes Silberhalsband, an dem ein prachtvoller Saphir-Anhänger baumelte. KC besaß es jetzt seit über fünf Jahren. Sie hatte es einem deutschen Geschäftsmann gestohlen, der es jungen Mädchen zu schenken pflegte, um ihnen einen Vorgeschmack auf das zu geben, was sie noch alles bekommen würden, wenn sie mit ihm schliefen, nur um sie dann als Sexsklavinnen nach Südostasien zu verkaufen. KC stahl damals nicht nur das Halsband aus seinem Berliner Penthouse, sondern auch all seine Computerdateien, zeigte den Mann bei der Polizei an und gab seine Kontaktdaten an die Familien seiner Opfer weiter. Am nächsten Morgen war er tot.
Sie hatte das Halsband behalten für den Fall, dass sie seine universelle Währung irgendwann zu Bestechungszwecken benötigen würde, um sich aus Schwierigkeiten zu befreien. KC steckte den Lippenstift, Funkgerät, Mobiltelefon, Brieftasche und eine Taschenlampe im Miniaturformat in ihre Tasche, dazu ein langes schwarzes Hemd und ein Paar faltbare, leichte Ballerinas. Dann zog sie den Reißverschluss zu. Sie schnappte sich die Transportrolle mit dem Merkurstab – ihrer Beute aus der Gruft – und klemmte
Weitere Kostenlose Bücher