Der Dieb der Finsternis
Wasser um sich, aber es brachte nichts.
»Nur die Ruhe«, sagte Iblis mit merkwürdig gelassener Stimme. »Dann gehen Sie nicht so schnell unter. Und jetzt hätte ich gern die Rolle, die Sie auf dem Rücken tragen.«
Michael griff mit der rechten Hand an den Tragegurt, zog ihn sich von der Schulter und hielt die Rolle unter Wasser und so weit von Iblis weg, wie es ihm mit der Handschelle am Arm möglich war. Mit der linken, gefesselten Hand hielt er sich an dem Gitter fest. Er hatte Mühe, seinen Körper in einer halbwegs geraden Stellung zu halten, da das Wasser ihn nach wie vor hin und her warf.
Plötzlich stieß Iblis dem Arm ins Wasser und versuchte, Michael die Rolle zu entreißen, während Michael seinerseits mit aller Macht versuchte, die Rolle unter Wasser und von Iblis weg zu halten.
Iblis zog seinen Arm wieder aus dem Wasser und lächelte ohne jeden Humor. »Nur damit Sie Bescheid wissen: Die Polizei wird alarmiert und erhält eine vollständige Beschreibung Ihrer Person. Die Mannschaften oben werden erfahren, dass in den Palast eingebrochen und möglicherweise ein Raub begangen wurde und dass die Gäste Schaden nehmen könnten. Und eines kann ich Ihnen versichern: Die werden nicht glücklich sein über das, was Sie getan haben. Ein derart bedeutendes Kunstobjekt zu stehlen. Einen Teil ihres Kulturgutes. Und das in der Nacht, in der die Augen der Welt auf sie gerichtet sind.«
Ohne Vorwarnung trat Iblis erneut auf Michaels Hand und zerquetschte ihm beinahe die Finger. Instinktiv ließ Michael auch dieses Mal wieder los und wurde unter Wasser gerissen, hinein in die tosenden Fluten. Mit letzter Kraft kämpfte er dagegen an. Sein linkes Handgelenk blutete und pochte von der Handschelle, an die es gekettet war. Er musste unbedingt überleben, doch sein Körper schien der Erschöpfung nicht mehr trotzen zu können.
Iblis machte sich daran, das Gitter aus der Verankerung zu schrauben. Noch einmal hielt Michael sich an dem Gitter fest, schnappte nach Luft, konnte aber nur tatenlos zuschauen. In seinem linken Bizeps hämmerte es, und nach wie vor versuchte er verzweifelt, seinen Körper gerade und über der Wasseroberfläche zu halten. Er hielt die Rolle mit der rechten Hand unter sich und wünschte sich, er könnte sie irgendwie beschweren und in die Tiefe fallen lassen, aber sie war extrem schwimmfähig, schien sogar von Michael weg und Iblis in die Hände fallen zu wollen.
Ohne eine Sekunde zu zögern, ließ Iblis das Gitter durch die Abflussöffnung fallen, wodurch Michael wegen der Handschelle unaufhaltsam nach unten gerissen wurde, was sein sicherer Tod gewesen wäre. Aber bevor er unterging, wurde Michael wieder nach oben gezerrt, dieses Mal an seiner rechten Hand – oder vielmehr an dem Tragegurt der Rolle, die er mit aller Macht festhielt.
Michael tauchte auf und stellte entsetzt fest, dass Iblis das andere Ende der Rolle bereits in der Hand hielt. Es war eine Art Tauziehen, ein Zweikampf, den Michael gewinnen musste, denn wenn er ihn verlor, verloren sie alle. Michael hielt den ledernen Tragegurt der Rolle ganz fest, während ihm das Gewicht des schweren Gitters, das an seinem anderen Handgelenk hing, beinahe den Arm auskugelte, während es versuchte, ihn in den Tod zu ziehen. Er saß in der Falle, gefangen zwischen zwei Höllen.
Im nächsten Moment zog Iblis ein Messer. Er schaute Michael an, ohne zu lächeln und mit leerem Blick. Sein linker Arm war gebeugt, und seine Muskeln wölbten sich unter dem engen Hemd. Er presste die Klinge gegen den Ledergurt und schnitt ihn kurzerhand durch. Der Gurt löste sich, und die Röhre schoss nach oben, geradewegs in Iblis’ Hand.
Und Michael wurde unter Wasser gezogen. Er schrie nicht einmal. Der Anker an seinem Handgelenk riss ihn in sein Grab.
27.
K C rannte über die Dächer des Topkapi-Palasts, hatte sich die Lederrolle fest auf den Rücken gezurrt und umklammerte mit der rechten Hand ihre Tasche. Sie lief über den Harem, arbeitete sich vor zum dritten Hof und hielt sich dabei die ganze Zeit geduckt und im Schatten der Dunkelheit. Hin und wieder warf sie einen flüchtigen Blick auf die unüberschaubaren Menschenmassen, die im zweiten Hof feierten, Alkohol tranken und sich gegenseitig zu Leistungen beglückwünschten, die ganz sicher andere vollbracht hatten, die sie sich aber als persönliche Verdienste anrechneten. Die Feiernden bemerkten nicht, was sich über und unter ihnen abspielte.
KC schaltete ihr Funkgerät ab aus Angst, dessen Kreischen
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