Der Dieb der Finsternis
praktisch null. Deshalb könnten wir geradewegs zur Hölle fahren, wenn wir nicht aufpassen.«
»Von meiner Seite ist alles klar«, sagte KC.
»Ist das so?«, erwiderte Michael und schaute dabei auf die ungeöffnete blaue Tasche auf dem Fußboden. »Wie willst du wissen, wie es funktioniert, wenn du es noch nicht ausprobiert hast?«
»Als hätte ich dazu schon Gelegenheit gehabt«, schimpfte KC. »Busch ist gerade erst gekommen.«
Michael nickte. »Lasst uns was zu essen bestellen und das Ganze durchgehen. Sowohl deinen Job als auch meinen.«
»Ich weiß, mein Vorschlag kommt ein wenig spät«, meldete Busch sich zu Wort, »aber vielleicht sollten wir versuchen, Cindy und Simon zu finden. Der Mistkerl muss sie irgendwo hier in der Nähe gefangen halten.«
»Wieso?« KC drehte sich zu Busch um.
»Wenn wir versuchen, ihm zu folgen, würde er das merken«, sagte Michael. »Er ist nicht blöd. Sie könnten überall sein.«
»Wo wohnt er denn?«, fragte Busch.
»Für wie dämlich haltet ihr mich eigentlich?«, schimpfte KC. »Meint ihr nicht, dass ich längst versucht hätte, ihn zu finden? Er ist wie ein verdammtes Gespenst. So war er schon immer.«
»Tut mir leid.« Busch hob die Hände. KC und Michael waren einander ähnlicher, als sie zugeben wollten.
»Er hat meine Schwester in seiner Gewalt, um Himmels willen.«
»Ich weiß.« Busch setzte sich in den Wildleder-Clubsessel und legte die Füße auf einen Hocker. »Und er hat Simon.«
»Lasst euch nicht ablenken, Kinder«, rief Michael, und seine Stimme sprühte vor Optimismus. »Wir dürfen jetzt nur an den Palast und an die Hagia Sophia denken. Sobald wir haben, was er will und braucht, wird er sich die Chance nicht vermasseln lassen, an seine kostbaren Objekte zu kommen.«
»Und du wirst ihm diese beiden Objekte einfach geben?«, fragte Busch.
Michael antwortete nicht, sah seinen Freund nur an.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte KC und schaute zwischen den beiden Männern hin und her. Dann dämmerte es ihr. »Sag mir jetzt nicht, dass du hier eine krumme Tour abziehen willst. Du kannst die beiden Gegenstände nicht behalten, so sehr es Simons Wunsch sein mag. Und dir steht auch gar nicht zu, das zu entscheiden. Das ist meine Sache. Ich sage, wo es langgeht. Hier geht es um meine Familie, den einzigen Menschen, den ich habe.«
»Entspann dich. Ich werde nicht …«
»Sag du mir nicht, wann ich mich entspannen soll. Es ist eine alte Seekarte und ein gottverdammter Stab! Es interessiert mich einen Dreck, was die wert sind. Das Leben meiner Schwester jedenfalls nicht. Wenn wir sie hergeben müssen, um sie und Simon zurückzubekommen, werden wir sie hergeben.«
»KC.« Michael beugte sich vor. »Alles ist …«
»Hör auf mit dem ewigen KC, KC, KC. Ich will diese ›Es wird alles gut‹-Sprüche nicht mehr hören. Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich weiß, mit was wir es hier zu tun haben und was uns bevorsteht. Vergiss nicht, dass wir das alles nur tun, um meine Schwester freizubekommen. Und wenn wir ihnen die Karte geben müssen, um das zu erreichen, werden wir es tun.«
»Stimmt«, sagte Michael. »Aber erst, nachdem ich jedes Detail mit dir durchgesprochen habe.«
»Ich habe ein bisschen Erfahrung mit diesen Dingen«, entgegnete KC trotzig. » Mich hat man noch nie geschnappt und verurteilt.«
»Nein«, erwiderte Michael mit leisem Spott. » Dich hat man geschnappt und ins Zuchthaus gesteckt, wo man dich hinrichten wollte. Was für ein kurzes Gedächtnis du hast, und wie undankbar du bist! Mir musste man nicht das Leben retten.«
»Weißt du was? Ich kann das alles ganz allein.«
»Du konntest nicht mal einen Brief klauen, ohne dafür zum Tode verurteilt zu werden.«
»He!«, stieß Busch hervor. »Ihr geht jetzt mal beide brav in eure Ecken.«
KC und Michael verstummten, als sie sahen, wie der hünenhafte Mann aufstand und sich zu ihnen umdrehte.
»Du.« Busch zeigte mit dem Finger auf KC. »Wir sind alle stinksauer und frustriert. Hör auf, deine Wut an den Menschen auszulassen, die dir helfen wollen, und richte sie auf Iblis – dem verdankst du den ganzen Mist hier, nicht Michael. Warum fällt es uns immer so leicht, denen an die Kehle zu springen, die uns nahe stehen? Bei den Leuten aber, die uns wirklich wütend machen, kriegen wir das Maul nicht auf.« Busch schüttelte den Kopf; seine Wut wurde noch größer, als er sich Michael zuwandte. »Und du befolge die Ratschläge, die du anderen gibst, endlich mal selbst. Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher