Der Dieb der Finsternis
hier noch sehr viel zu überprüfen, und ich habe eine Frau und eine Familie zu Hause und die Absicht, sie wiederzusehen. Also sollten wir zusehen, dass wir die Nummer hier nicht vergeigen.« Busch grinste. »Außerdem habe ich Kohldampf und will endlich was zu essen.«
***
Es war sechzehn Uhr. Die letzten drei Stunden hatten sie damit verbracht, jedes Detail der beiden Jobs durchzugehen, wie nebensächlich es auch erschien. Michael wusste, dass KC eine Diebin war. Er ging davon aus, dass sie auf ihrem Gebiet eine Könnerin war; andernfalls hätte Simon nicht mit ihr zusammengearbeitet. Nur wusste Michael nicht, wie gut sie war. Deshalb ging er jedes Szenario durch, worüber KC sich maßlos aufregte. Glücklicherweise stand Busch, der ewige Vermittler, die ganze Zeit zwischen ihnen und wahrte den Frieden.
Bora Celils Brief wollte Michael nicht aus dem Kopf gehen. Seine warnenden Worte an Piri Reis klangen ihm in den Ohren. Es waren nicht nur Warnungen an Piri – sie waren an die gesamte Menschheit gerichtet. Iblis wollte den Hermesstab aus einem ganz bestimmten Grund, der mit Sicherheit weit über den materiellen Wert hinausging. KC würde nach fünfhundert Jahren die erste Person sein, die diesen Stab in Händen hielt – einen Gegenstand, den man aus gutem Grund versteckt hatte und vor dem sich sogar der Korsar Kemal Reis gefürchtet hatte, einer der gefährlichsten Männer, die je die Meere befahren hatten.
Doch Michael zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken, denn es beeinträchtigte seine Konzentrationsfähigkeit. Nach seinem letzten Streit mit KC fiel es ihm schwer genug, sich zu konzentrieren.
Er beobachtete KC, die sich gerade mit dem Gerät beschäftigte, das er für sie gebaut hatte. Er konnte die Konzentration in ihren grünen Augen sehen, als sie die Vorrichtung auseinanderbaute. Er sah aber auch die Kurven ihrer schlanken und doch so kräftigen Gestalt, als sie die blaue Tasche packte.
»Iblis wird KC auf Schritt und Tritt beobachten«, sagte Michael, als er Busch zur Seite nahm. »Du musst dem Kerl folgen. Lass ihn nicht aus den Augen. Ich habe Angst, dass er KC den Stab wegnimmt, sobald sie aus der Hagia Sophia kommt. Wahrscheinlich wird er sogar versuchen, sie sich gleich mit zu schnappen.«
»Mach dir um KC keine Sorgen. Sie kann auf sich selbst aufpassen.« Busch schaute in KCs Richtung. »Ich werde ihr aber den Rücken decken, um auf Nummer sicher zu gehen. Und was wird mit dir?«
»Was meinst du damit?«
»Du bist derjenige, der in einen Palast rennt, in dem sich 750 Macher der Weltpolitik tummeln. Du bist derjenige, der den wesentlich dreisteren Diebstahl begeht. Und da ist noch etwas.«
»Und was?«
»Was ist, wenn wir Iblis unterschätzen? Wenn er die Karte stehlen will? Wenn du ihm in die Arme rennst? Wer deckt dir dann den Rücken?«
»Kümmere du dich um KC. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Das sagst du jedes Mal, und weißt du, was dann immer als Nächstes passiert? Ich erleide fast einen Herzinfarkt bei dem Versuch, deinen Hintern zu retten.«
»Vielen Dank, dass du dich so um mich sorgst.« Michael versetzte seinem Freund einen Klaps auf den Arm. Dann ging er zu KC hinüber, die am Fenster stand und sich das Ziel ihres Einbruchs anschaute, die Hagia Sophia, auf deren gewaltiger Kuppel die Strahlen der Spätnachmittagssonne tanzten.
»Ich muss los«, sagte Michael leise.
KC drehte sich um und blickte ihn an. Beide hatten Mühe, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.
»Pass auf dich auf«, sagte Michael.
Fest schaute KC ihm in die Augen. »Und du auf dich.«
»Kinder.« Busch schnippte mit den Fingern und tippte auf seine Armbanduhr. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Das Drama, das ihr zwei da abzieht, wird allmählich albern. Ihr wisst, was ihr tut. Ich werde Iblis die ganze Zeit im Auge behalten. Bringen wir es hinter uns, damit wir aus diesem Land herauskommen.«
***
Lautlos schwang die Tresortür auf. Das Licht im Raum brach sich auf der Beschichtung aus gebürstetem Edelstahl und spiegelte sich in den mit dunklem Holz verkleideten Wänden.
Iblis, der einen klassischen Smoking von Armani trug, betrat den Raum. Cindy starrte ihn an. Sie saß auf dem Ledersofa, sah fern und trank Cola Light, als säße sie in einem Wohnzimmer und nicht in einer mit Nussbaum getäfelten Gefängniszelle. Iblis ging zu der Pritsche und überprüfte die fast leere Infusion. Als er auf Simon hinunterblickte, stellte er verwundert fest, dass dieser aus halb geöffneten
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