Der dreizehnte Apostel
eine Geschichte wird das geben! Ein großer Artikel in der Herald Tribune, warte, bis ich das in Oprahs Talkshow erzähle! Ja, konzentriere dich auf den Ruhm, die Berühmtheit, wenn diese Schriftrolle übersetzt sein und der Fund bekanntgegeben wird! Und die arme Lucy, die in diesem verdammten, öden Ouranopolis vor Langeweile durchdreht – warte, bis sie von meinem Abenteuer hört! Ein Festtag wird es für sie sein!
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Eine Disco in Ouranopolis hieß Argonaut Club.
Da Stavros nicht, wie versprochen, mit etwas Eßba rem wiedergekommen war, zog Lucy sich nach ihrem tiefen, erschöpften Schlaf an, machte sich hübsch und ging in die Stadt, um ihn in seinem bevorzugten Nachtclub zu suchen. Der Argonaut Club war nahezu leer, aber es war ja noch früh am Abend. Den Mittelpunkt der Disco bildeten eine Anlage mit zwei Plattentellern und ein junger Grieche in einem übergroßen Batik-T-Shirt und in Radlerhosen, der zwei Stapel von Schallplatten nach einer bevorzugten Reihenfolge geordnet hatte.
»Und jetzt ist es Zeit für richtigen Rock’n Roll«, sagte der Junge, bevor er The Final Countdown von der schwedischen Gruppe Europe auflegte. Er drückte auf einen Schalter, die Anlage für die Lichtshow begann sich zu drehen, und prismatische Lichtflecken funkelten durch den Raum. Ein Stroboskop streute sein Licht zwischen das fluoreszierende blaue Licht und tauchte die Leute auf der Tanzfläche in Grün und Purpurrot – sie wirkten wie Marsmenschen.
Ein Museum aus den siebziger Jahren, in dem die Musik der achtziger Jahre gespielt wird, dachte Lucy. Ein Barkeeper sah sie finster an, und so bestellte sie ein Cola light, das anders schmeckte als zu Hause und in einer Dose mit griechischer Beschriftung serviert wurde – ein interessantes Souvenir.
Derek und Tracy, noch sonnenverbrannter als bei der letzten Begegnung, erschienen in der Tür. Tracy entdeckte Lucy und kam herübergehüpft; Derek setzte sich an einen Tisch und fing an, eine zusammengerollte, zwei Tage alte englische Zeitung zu lesen.
»Ich werde den verdammten Kerl noch ermorden«, seufzte Tracy und lächelte schwach. »Er geht mir furchtbar auf die Nerven … Und wie geht’s dir und, äh, wie heißt er noch?«
»Stavros«, antwortete Lucy lässig. »Immer dieselbe Geschichte. Ging, um etwas zu essen zu holen, und wurde nie mehr gesehen.«
»Na, vielleicht sollte ich dir das dann gar nicht sagen«, vertraute Tracy ihr an, »aber am Spätnachmittag habe ich ihn unten an dem Strand gesehen, wo man Surfbretter mieten kann.« Lucy stellte sich die schnatternde Ansammlung deutscher Fräuleins dort vor. Tracy legte ihr konspirativ die Hand auf den Arm: »Er ist wirklich etwas Besonderes. Spricht er Englisch?«
»Nicht sehr gut«, flüsterte Lucy. »Braucht er aber auch nicht.«
Tracy kicherte und stupste Lucy, die zurückstup ste . »Sie sind alle ein Haufen von nichtswürdigen Faulenzern, weißt du? Was hast du da?«
»Cola light und, äh, Rum.«
Tracy wandte sich an den Barkeeper und bestellte das gleiche. »Siehst du den Barkeeper?« flüsterte sie. »Lucy, er macht mir Augen, seit ich hier bin.«
Lucy musterte ihn: griechische Standardbräune mit einem Schatten von Bartstoppeln, breiter Torso, gestutzter Schnurrbart, und er war offenbar überzeugt davon, weit besser auszusehen, als es tatsächlich der
Fall war.
»Er ist okay«, sagte Lucy. »Zu blöd mit …«
»Derek.«
»Ja, Derek.«
»Ich will dir was sagen. Nächstes Jahr komme ich zurück ohne diesen verdammten Klotz am Bein …« Derek war gerade dabei, in der schwachen Spiegelung der dunklen Wandverkleidung aus Plastik nachzuprüfen, ob seine Punkfrisur auch brav nach oben stand. »Es hätte eine mordsmäßige Orgie sein können, wenn ich ihn nicht mit hergeschleift hätte. Und du kannst mich eine blöde Kuh nennen, wenn ich dir sage, daß ich ihn noch mit meinem Geld unterstützt habe. Mit meinem eigenen, hart verdienten Zaster. O Luce, schau dir den an, da an der Wand …«
Tracy wies unauffällig auf einen modisch gekleideten Südländer, Anfang Dreißig, in einem schicken marineblauen Jackett, einem weißen Hemd mit schmalem Kragen und dunkler Krawatte. Eine Zigarette glomm in dem Aschenbecher vor ihm. Tracy Schloss , er müsse ein reicher Grieche sein, weil seine Armbanduhr nach einer Rolex aussehe. Der Mann sah auf, und Lucy betrachtete sein Gesicht: ein dun kelolivfarbener Teint, große, feucht schimmernde, braune Augen, eine markante aristokratische Nase. Der Mann war
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