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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Bewegungen waren sachlich und knapp, als bereite sie sich darauf vor, von einer Ärztin untersucht zu werden. Als sie sich auszuziehen begann, wandte er ihr den Rücken zu und zögerte einen Augenblick, bis er begriff, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als ebenfalls seine Kleidung abzulegen. Entweder Dürre – oder Überschwemmungen, sagte er sich mit einer Art Schadenfreude. Und beeilte sich, zwischen die Laken zu schlüpfen, ehe sie seine Fleischesschwäche bemerkte.Und da er sich erinnerte, wie er Nina schon beim vorigen Mal, bei ihr zu Hause auf dem Teppich, enttäuscht hatte, grenzte seine Erniedrigung und Scham ans Unerträgliche. Mit dem ganzen Körper preßte er sich an sie, aber sein Glied war leer und gefühllos wie ein zerknittertes Taschentuch. Er verbarg den Kopf zwischen ihren schweren, warmen Brüsten, als suche er dort Zuflucht vor ihr. Eng umschlungen und aneinandergeschmiegt, lagen sie reglos da wie zwei Körper an Körper zusammengedrängte Soldaten in einem Schützengraben unter Beschuß.
    Und sie flehte ihn leise an: »Nur red nichts. Sag kein Wort. Mir ist auch so in deiner Nähe wohl.«
    Fast greifbar tauchte vor seinen geschlossenen Augen das Bild des abgestochenen Hundes auf, der, sich windend und leise winselnd, sein letztes Blut zwischen nassen Büschen und Abfall an einer niedrigen Steinmauer verströmte. Und wie in tiefem Schlaf murmelte er zwischen ihren Brüsten Worte, die sie nicht hörte: »Zurück nach Griechenland, Jael. Dort werden wir uns lieben. Dort finden wir Erbarmen.«
    Als Nina auf die Uhr schaute und sah, daß es halb zwölf war, küßte sie ihn auf die Stirn, rüttelte ihn sanft an den Schultern und sagte liebevoll: »Steh auf, Kind. Wach auf. Du bist eingeschlafen.«
    Dann zog sie sich mit eckigen Bewegungen an, setzte die dicke Brille auf und zündete eine neue Zigarette an, worauf sie das Streichholz nicht durch Blasen, sondern durch wütendes Schütteln löschte.
    Bevor sie ging, fügte sie mit leisem Klick die beiden Teile des Transistors zusammen, den Fima morgens umgeworfen hatte. Und drehte den Knopf so lange hin und her, bis plötzlich Verteidigungsminister Rabins Stimme durchs Zimmer dröhnte, der sagte: »Es wird die Seite gewinnen, die den längeren Atem hat.«
    »Der ist wieder heil«, sagte Nina, »und ich muß gehen.«
    »Sei mir nicht böse«, bat Fima. »Diese ganzen Tage fühle ich mich beklommen. Wie vor einem Unheil. Nachts schlafe ich kaum. Bin auf und schreibe Artikel, als ob jemand darauf hören würde. Keiner will hören, es ist wohl alles verloren. Was soll mit uns allen werden, Nina. Vielleicht weißt du’s? Nein?«
    Nina, die schon an der Tür stand, wandte ihm ihr bebrilltes Fuchsgesicht zu und sagte: »Heute abend habe ich Aussicht, relativ früh fertig zu werden. Komm von der Praxis direkt zu mir ins Büro, dann besuchen wir das Konzert im YMCA. Oder wir sehen uns die Komödie mit Jean Gabin an. Danach gehen wir zu mir. Sei nicht traurig.«

23.
Fima vergißt, was er vergessen hat
    Fima ging wieder in die Küche. Verschlang nacheinander noch vier weitere dicke Scheiben von dem frischen georgischen Schwarzbrot mit Aprikosenmarmelade. Der Verteidigungsminister sagte: »Ich empfehle uns, nicht auf alle möglichen dubiosen Abkürzungen zu verfallen.« Das Adjektiv war ihm etwas schief herausgekommen, worauf Fima, den Mund voll Marmeladenbrot, erwiderte: »– und unsererseits empfehlen wir Ihnen, nicht alle möglichen famosen Uraltsprüche herzulallen.«
    Sofort distanzierte er sich jedoch von diesem Wortspiel, das ihm kleinlich und banal erschien. Als er den Transistor ausschaltete, hielt er es für angebracht, sich bei Rabin zu entschuldigen: »Ich muß mich beeilen. Sonst komme ich zu spät zur Arbeit.« Dann kaute er eine Tablette gegen Sodbrennen und steckte, warum auch immer, Annettes Ohrring, den er zwischen Ninas Zigarettenstummeln im Aschenbecher gefunden hatte, in die Tasche. Die Jacke zog er sich besonders vorsichtig an, darauf bedacht, diesmal nicht im zerrissenen Ärmelfutter hängenzubleiben. Und da die Brotscheiben seinen Hunger nicht gestillt hatten und er sie sowieso dem Frühstück zurechnete, ging er in das kleine Lokal gegenüber zum Mittagessen. Nur wußte er nicht mehr, ob die Besitzerin Frau Schneidmann oder nur Frau Schneider hieß. Er beschloß, auf Schneidermann zu setzen. Sie war wie gewöhnlich keineswegs beleidigt, sondern lächelte ihn mit klaren, kindlich frohen Augen an. Mit diesem Lächeln glich sie fast der

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