Der Duft des Bösen
seinen eigenen handelte und dass er sich für die Fahrt zu seiner Mutter einen Leihwagen besorgt hatte. Allerdings hatte er auch behauptet, er könne gar nicht Auto fahren. Das häufige Zusammentreffen mit der Polizei musste auf ihre Denkweise ansteckend gewirkt haben, denn sie ertappte sich verblüfft dabei, dass sie sich fragte, warum sie sich nicht sein Nummernschild notiert hatte. Trotzdem wusste sie noch genau, wie der Wagen ausgesehen hatte. Ein silberner Mercedes.
Um Viertel vor zehn stürzte Zeinab herein. Eines war Inez aufgefallen: Unverbesserliche Trödler waren immer in Eile und kamen stets außer Atem und keuchend an. Ohne sie eines Blickes, geschweige denn eines Wortes zu würdigen, eilte Zeinab zu dem Spiegel, den jeder nur ihren Spiegel nannte, und zu dem darunter stehenden Konsoltischchen. Im Spiegel sah Inez, wie sie mit entsetzter ungläubiger Miene die kleinen Nippesstücke auf den daneben stehenden Vitrinentischen durchwühlte. Sie drehte sich um und streckte die Hände in die Höhe, als wollte sie beten. »Er ist weg!«
»Wer ist weg?«
»Mein Anhänger, den mir Morton geschenkt hat. Ich habe ihn am Freitag hier gelassen, als ich mit Rowley zum Lunch gegangen bin, und dann habe ich – ihn vergessen!«
Obwohl Inez wusste, wie sinnlos es war, jemandem in Zeinabs Situation zu erzählen, sie hätte eben besser aufpassen sollen, reizte es sie sehr. Entweder hätte sie es jetzt kapiert oder nie. Nun ging es darum, ihr die Neuigkeit schonend beizubringen. »Es tut mir sehr Leid, aber wir hatten gestern ein kleines Problem.« Sie hielt inne, damit es einsickern konnte. »Einen Einbruch. Alle wurden bestohlen. Ich vermute – nun, sehr wahrscheinlich hat man deinen Anhänger gestohlen.«
»O mein Gott, o mein Gott, was soll ich nur machen? Was soll ich Morton sagen?«
Inez vertrat, wie einst auch Martin, den Standpunkt, dass es immer am besten sei, die Wahrheit zu sagen. Keine Ausflüchte, keine »Notlügen« und den schlimmen Tag nicht immer weiter hinausschieben. Aber das hätte wie eine Verurteilung geklungen. »Vielleicht brauchst du ihm noch gar nichts zu sagen«, meinte sie, obwohl es ihr gegen den Strich ging. »Vielleicht findet ihn die Polizei ja.«
»Und was soll ich machen, wenn er fragt?«
»Nach den anderen Sachen, die er dir geschenkt hat, hat er doch auch nie gefragt, oder?«
»Einmal ist immer das erste Mal«, sagte Zeinab. »Die Polizei wird noch gar nicht wissen, dass der Anhänger vermisst wird, ja? Ich gehe besser hin und erzähle es ihnen.«
»Ruf sie an«, erwiderte Inez, die unbedingt verhindern wollte, dass Zeinab erneut ein oder zwei Stunden nicht ihrer Arbeit nachkam. »Erkundige dich nach DC Jones. Außerdem würde ich ihn auch noch gerne sprechen. Ich will ihm unbedingt von dem schmutzigen weißen Van mit dem Zettel im Rückfenster berichten, der immer draußen herumstand. Vielleicht ist es ja wichtig.«
Die Durchsuchung ihrer Wohnung sei schlimmer als ein echter Einbruch, dachte Becky. Jones und ein uniformierter Wachtmeister durchkämmten jeden Raum, untersuchten Schubladen und leerten sie aus, schauten in alle Schränke, tasteten Manteltaschen ab, nahmen jedes Buch einzeln heraus und stöberten dahinter herum. Jedes besonders dicke Buch schlug Jones auf und suchte nach einem Geheimfach. Ihr persönlicher Schmuck wurde gründlich überprüft, wobei sie dem abgetragenen und verkratzten Trauring ihrer Mutter besondere Aufmerksamkeit widmeten. Im Arbeitszimmer, das inzwischen Wills Schlafzimmer war, fanden sie in einer Schublade der PC-Station ein Paar hellrote Wollhandschuhe, die ihr gehörten. Obwohl Will diese nur mühsam überziehen konnte – sie waren ihm zu klein –, schien Jones diesem Fundstück besondere Bedeutung beizumessen und bezichtigte Will, diese Handschuhe hätte er während seiner Diebestour durch Inez’ Haus getragen.
Obwohl sie sonst nichts fanden, was diese Theorie unterstützte, setzten sie ihre Suche systematisch fort. Der Handschuhfund hatte ihnen neuen Auftrieb und frische Energie gegeben. Warum hatte sie die Handschuhe dorthin gelegt? Und wann? Weiter ging die Schnüffeljagd ins Wohnzimmer, wo Will verängstigt in einer Sofaecke kauerte. Als sie mit den Büchern und Videohüllen anfingen, rannte er wimmernd aus dem Zimmer und suchte Zuflucht, allerdings nicht im Arbeitszimmer, sondern in Beckys Schlafzimmer. Dort legte er sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht in den Kissen. Hier fand ihn Jones, als er, auf der Suche nach Becky,
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