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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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sich im Laden und auch der fette Tölpel. Schade, dass die Orientalin nicht da war. Vielleicht hatte sie gekündigt oder war krank oder sonst etwas. Damit war nur noch eine Person übrig. Sie müsste eben dafür genügen. Er nahm die Pistole und ging bis zum nächsten Treppenabsatz hinunter. Mit jedem Schritt wurde Rachmaninow lauter. Sie hatte noch mehr aufgedreht. Vielleicht dachte sie, er würde wieder weggehen, als sie seine Tür zuklappen hörte. Sie sollte einen bösen Schock erleben.
    Er donnerte mit den Fäusten an die Tür. Jetzt würde sie annehmen, er wäre heruntergekommen, um sich zu beschweren. Wieder klopfte er und trat unten gegen die Tür. Die Musik erstarb zu einem Murmeln. Mit jenem schrecklich gutturalen Akzent, den sie sich manchmal zulegte, rief sie: »Was ist?«
    »Bitte, machen Sie auf. Ich bin’s, Jeremy Quick.« Ganz langsam öffnete sie die Tür, als hätte sie alle Zeit der Welt. Er steckte einen Fuß dazwischen, erst dann zeigte er ihr die Pistole. Sie schnappte nach Luft, eine Hand fuhr zum Gesicht, dann wimmerte sie. Sie trug einen rosa Hausmantel, eigentlich ein Negligee mit Rüschen und einer großen Schleife in der Taille. Ihre blonden Haare mit dem grauen Ansatz hatte sie unordentlich aufgesteckt und oben am Kopf mit einem großen Klipp befestigt, wie ihn blutjunge Mädchen tragen.
    »Mach schon«, sagte er. »Ich brauche dich oben.« Ludmilla zitterte am ganzen Leib wie ein verwelktes Blatt, das bebend von einem Ast baumelt und im Wind sirrt. In ihrer Verfassung und mit den hochhackigen Pantoletten hatte sie Mühe, die Treppe hinaufzusteigen. Jeremy trieb sie vor sich her. Stöhnend stolperte sie über seine Türschwelle, aber sie schaffte es. Sofort versperrte er die Wohnungstür.
    Er ließ sie auf dem Boden liegen, trat an eines der Vorderfenster und schaute hinaus. Aus der Ferne konnte er eine Sirene hören, wusste aber nicht, ob es sich um ein Polizeiauto handelte oder um einen Krankenwagen. Nur die Feuerwehr hatte ein unverwechselbares Signal, jenes fürchterliche und doch musikalische Jaulen, das den Auftakt ihrer Melodie bildete, gefolgt von warnenden Huptönen. Er lauschte. Der Sirenenton erstarb. Sie war weggekrochen und hatte sich in einen Sessel gesetzt. Nachdem sie nun nicht mehr gehen und Treppen steigen musste, wirkte sie weit weniger verängstigt und bedeutend gefasster.
    Sie fragte ihn: »Kann ich eine Zigarette bekommen?«
    »Na gut. Diese Pistole ist geladen, das sollten Sie sich gut merken. Wenn es sein muss, werde ich sie einsetzen. Mein Leben bedeutet mir nichts und Ihres genauso wenig.«
    Er gab ihr eine Zigarette und zündete sie ihr mit seinem eigenen Feuerzeug an, das er nur selten verwendete. Weiß Gott, was sie getan hätte, wenn er ihr die Benutzung ihres eigenen Feuerzeugs erlaubt hätte. Vielleicht hätte sie den Teppich angezündet. Sie machte einen tiefen Zug, schaute das Feuerzeug an, dann ihn, und meinte: »Das ist das Feuerzeug von dem Mädchen.«
    War es nicht. Das hatte er weggeworfen. »Welches Mädchen?«
    »Das zwischen den Remisenhäuschen erwürgt wurde.«
    Gern hätte er gelächelt, aber seine Gesichtsmuskeln verweigerten den Gehorsam.
    »Sie haben sie erwürgt. Sie sind der Rottweiler!«
    Immer hatte er diesen Namen abgrundtief gehasst. Er verteidigte sich, obwohl er wusste, wie lahm er klang. »Ich habe nie jemanden gebissen. Das ist eine üble Verleumdung. Die Zeitungen schreiben immer irgendetwas.«
    Während er sprach, hörte er, wie draußen ein Wagen anhielt. Und noch einer. Krachend flog eine Autotür zu. Er erstarrte zur Salzsäule, war wie paralysiert. Ludmilla sah auf. Ihre Zigarettenasche fiel auf seinen Teppich.
    Nachdem ihm seine Beine wieder gehorchten, trat er erneut ans Fenster. Auf der anderen Straßenseite, an einer gelben Linie, stand Zuluetas Wagen. Im Wagen dahinter saßen zwei Männer. Auf der entgegengesetzten Fahrzeugseite öffnete sich die Fondtür, und Crippen stieg aus, gefolgt von einem Mann, der möglicherweise Osnabrook hieß. Mit einem Ruck schob Jeremy das Fenster hoch, dass der Rahmen nur so ratterte. Crippen sah nach oben.
    Ihre Blicke trafen sich. »Quick, wir kommen rauf«, sagte er. »Wir haben Ihnen etwas mitzuteilen, und Sie uns vermutlich auch.«
    Jeremy drehte sich um und sah kurz nach Ludmilla, dann rief er hinunter: »Ich habe nichts zu sagen, weder Ihnen noch sonst jemandem. Außerdem heiße ich nicht Quick. Ich bin Alexander Gibbons. Ich habe eine Pistole und auch noch Mrs. – äh

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