Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
eigentlich denken konnte.
»Finli o’ Tego!«
»Tritt ein, Finli!« Er nahm den Blick nicht vom Spiegel. Seine Finger, die von zwei Seiten an den entzündeten Pickel heranrückten, sahen riesig aus. Sie begannen Druck auszuüben.
Finli durchquerte Prentiss’ Büro und blieb an der Toilettentür stehen. Er musste sich leicht bücken, um hineinsehen zu können. Er war über zwei Meter zehn groß, was selbst für einen Taheen sehr groß war.
»Vom Bahnhof zurück, als wäre ich nie fort gewesen«, sagte Finli. Seine Stimme schwankte wie die der meisten Taheen zwischen einem Jaulen und einem Knurren wild hin und her. Pimli fand, dass sie alle wie die Mischwesen aus dem Roman Die Insel des Dr. Moreau von H. G. Wells sprachen, und wartete ständig darauf, dass sie in einen Sprechchor ausbrachen und »Sind wir nicht Menschen?« skandierten. Finli hatte das einmal in seinen Gedanken gelesen und ihn danach gefragt. Prentiss hatte darauf vollkommen aufrichtig geantwortet, weil er wusste, dass in einer Gesellschaft, in der Telepathie auf niederer Stufe die Regel war, Ehrlichkeit stets die beste Verfahrensweise war. Im Umgang mit Taheen die einzige Verfahrensweise. Außerdem mochte er Finli o’ Tego.
»Vom Bahnhof zurück, gut«, sagte Pimli. »Und was hast du gefunden?«
»Eine Wartungsdrohne. Scheint auf der Seite von Bogen 16 durchgedreht zu haben und ist …«
»Warte«, sagte Prentiss. »Wenn’s beliebt, wenn’s beliebt, danke.«
Finli wartete. Prentiss beugte sich noch näher an den Spiegel heran und runzelte vor Konzentration die Stirn. Auch der Herr über den Blauen Himmel war groß, fast eins neunzig, und besaß einen riesigen Schmerbauch, den lange Beine mit massiven Schenkeln trugen. Er begann kahl zu werden und hatte die Knollennase eines Gewohnheitstrinkers. Er schien ungefähr fünfzig zu sein. Er fühlte sich wie ungefähr fünfzig (jünger, wenn er die Nacht nicht damit verbracht hatte, mit Finli und einigen der Can-Toi zu saufen). Er war fünfzig gewesen, als er vor ziemlich vielen Jahren hergekommen war – vor mindestens fünfundzwanzig Jahren, und das konnte sogar viel zu gering geschätzt sein. Die Zeit war auf der hiesigen Seite so unzuverlässig wie die Himmelsrichtungen, und man konnte in beidem rasch die Orientierung verlieren. Manche Folken verloren außerdem den Verstand. Und sollte die Sonnenmaschine jemals ganz versagen …
Der Pickel wölbte sich an der Spitze auf … zitterte … platzte. Ah!
Ein Klumpen blutiger Eiter spritzte aus der entzündeten Stelle, klatschte auf den Spiegel und lief dann die leicht konkave Oberfläche hinunter. Pimli Prentiss wischte ihn mit dem Finger ab und wollte ihn schon ins Klo schlenzen, bot ihn dann aber Finli an.
Der Taheen schüttelte erst den Kopf, gab schließlich jedoch jenen Laut der Verzweiflung von sich, den jeder, der öfter Diät lebte, erkannt hätte, und führte den Finger seines Herrn in die Schnauze. Er saugte den Eiter ab und gab den Finger mit einem hörbaren Plopp wieder frei.
»Sollt’ es eigentlich nicht tun, kann aber nicht widerstehen«, sagte Finli. »Hast du mir nicht erzählt, dass die Folken auf der anderen Seite zu dem Schluss gekommen sind, dass der Verzehr von rohem Fleisch schlecht für sie ist?«
»Yar«, sagte Pimli und wischte den Pickel (der noch nachnässte) mit einem Papiertuch ab. Er war seit langem hier und würde aus allen möglichen Gründen nie mehr zurückkehren können, aber bis vor kurzem war er auf dem Laufenden gewesen; noch im vergangenen – konnte man’s Jahr nennen? – hatte er die New York Times ziemlich regelmäßig erhalten. Die Times hatte es ihm sehr angetan, besonders das tägliche Kreuzworträtsel. Es war wie ein kleines Stück Heimat.
»Aber sie essen es trotzdem weiter.«
»Yar, das tun wohl viele.« Er öffnete das Arzneischränkchen und nahm ein Fläschchen Wasserstoffperoxid von Rexall heraus.
»Du bist schuld, wenn du’s mir hinhältst«, sagte Finli. »Nicht, dass solches Zeug normalerweise schlecht für uns wäre; es ist von Natur aus süß wie Honig oder Beeren. Das Problem ist Donnerschlag.« Und als ob sein Boss nicht wüsste, was er meinte, fügte Finli hinzu: »Zu vieles von dem, was von dort kommt, wirkt verderblich, so süß es auch schmecken mag. Gift, wenn’s beliebt.«
Pentiss befeuchtete einen Wattebausch mit dem Desinfektionsmittel und betupfte damit die Wunde auf seiner Backe. Er wusste genau, wovon Finli redete, wie sollte er auch anders? Bevor er hergekommen war
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