Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
sagen.
»Auskünfte sollten vollauf genügen«, sagte Roland. »Zahlen der Bestände.«
»Aye, ohne Zahlen kann man kein Schätzer sein«, sagte Renfrew und wieherte bierschäumendes Gelächter. Links von Roland knabberte Coral Thorin an etwas Grünem (die Rinderstreifen hatte sie nicht einmal angerührt), lächelte ihr verkniffenes Lächeln und ließ weiter ihren Löffel Boot fahren. Roland vermutete jedoch, dass mit ihren Ohren alles in Ordnung war und ihr Bruder einen vollständigen Bericht über die Unterhaltung bekommen würde. Oder möglicherweise würde es Rimer sein, der den Bericht erhielt. Obwohl es noch zu früh war, um etwas Genaueres zu sagen, hatte Roland nämlich den Eindruck, als ob Rimer hier die treibende Kraft wäre. Möglicherweise zusammen mit Sai Jonas.
»Zum Beispiel«, sagte Roland, »was meinen Sie, wie viel Reitpferde werden wir dem Bund wohl melden können?«
»Den Zehnten oder total?«
»Total.«
Renfrew stellte das Glas ab und schien zu rechnen. Währenddessen schaute Roland über den Tisch und sah, wie Lengyll und Henry Wertner, der Oberviehzüchter der Baronie, einen raschen Blick wechselten. Sie hatten es gehört. Und er sah noch etwas, als er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Sitznachbarn zuwandte: Hash Renfrew war zwar betrunken, aber sicher nicht so betrunken, wie er den jungen Will Dearborn glauben machen wollte.
»Total, sagt Ihr – also nicht nur das, was wir dem Bund schulden oder im Bedarfsfall schicken könnten.«
»Ja.«
»Nun, mal sehn, junger Sai. Fran muss hundertvierzig haben; John Croydon hat an die hundert. Hank Wertner hat vierzig auf eigene Kappe, und noch mal sechzig draußen an der Baronatsschräge. Regierungspferdchen, Mr. Dearborn.«
Roland lächelte. »Ich kenne sie gut. Gespaltene Hufe, kurze Hälse, langsam, durchhängende Bäuche.«
Darüber lachte Renfrew unbändig und nickte… aber Roland fragte sich, ob der Mann tatsächlich amüsiert war. In Hambry schienen die Wasser oben und die Wasser unten in entgegengesetzte Richtungen zu fließen.
»Was mich betrifft, ich hab zehn oder zwölf schlechte Jahre gehabt – Staupe, Gehirnfieber, Hufkrebs. Seinerzeit sind mal zweihundert Stück mit dem Brandzeichen der Lazy Susan dort draußen auf der Schräge rumgelaufen; heute können es nicht mehr als achtzig sein.«
Roland nickte. »Also sprechen wir von vierhundertundzwanzig Tieren.«
»Oh, es sind mehr«, sagte Renfrew mit einem Lachen. Er griff nach seinem Bierglas, stieß mit der Seite einer von Wetter und Arbeit gegerbten Hand dagegen, warf es um, fluchte, hob es auf und fluchte dann auch noch über den Kellner, der zu langsam herbeieilte, um es nachzufüllen.
»Es sind mehr?«, drängte Roland, als Renfrew endlich zufrieden gestellt war und den Eindruck erweckte, als könnte er fortfahren.
»Ihr müsst dran denken, Mr. Dearborn, dass das hier eher Pferdeland als Fischereiland ist. Wir ziehen uns gegenseitig auf, wir und die Fischer, aber es gibt ’ne Menge Schuppenkratzer, die ’nen Klepper hinterm Haus stehn haben oder in den Stallungen der Baronie, falls sie selbst kein Dach haben, um das Pferd bei Regen unterzustellen. Ihr armer Da’ hat ’n Auge auf die Baronieställe gehabt.«
Renfrew deutete mit dem Kopf auf Susan, die drei Stühle weiter oben auf der gegenüberliegenden Seite von Roland saß – nur eine Tischecke vom Bürgermeister entfernt, der natürlich am Kopfende der Tafel saß. Roland fand ihren Platz sonderbar, besonders eingedenk der Tatsache, dass die Gattin des Bürgermeisters fast am anderen Ende des Tisches saß, mit Cuthbert auf einer Seite und einem Rancher, dem sie noch nicht vorgestellt worden waren, auf der anderen.
Roland dachte sich, dass ein alter Bursche wie Thorin natürlich gern eine hübsche junge Verwandte neben sich hatte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder sein Auge zu erfreuen, aber es schien dennoch seltsam zu sein. Fast eine Beleidigung für die eigene Frau. Wenn er ihrer Konversation überdrüssig war, warum setzte er sie dann nicht ans Kopfende eines anderen Tisches?
Sie haben ihre eigenen Bräuche, das ist alles, und die Bräuche auf dem Land gehen dich nichts an. Die irre Pferdezählung, die dieser Mann vornimmt, die geht dich etwas an.
»Wie viele Pferde sonst noch, was würden Sie sagen?«, fragte er Renfrew. »Alles in allem?«
Renfrew sah ihn listig an. »’ne ehrliche Antwort wird mir nicht zum Schaden gereichen, oder, Junge? Ich bin ein Mann des Bundes – das bin ich, durch
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