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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Pferdescheiße zu schippen, auch wenn er nicht bei seinen geliebten Mähren ist. Sheevin bedeutet Nebenfrau. Zu Zeiten meiner Urgroßmutter bedeutete es Hure… aber von einer ganz bestimmten Art.« Sie sah mit ihren hellen Augen zu Susan hinüber, die gerade einen Schluck Bier trank, dann wieder zu Roland. Eine gehässige Heiterkeit leuchtete in ihren Augen auf, ein Ausdruck, der Roland nicht gefiel. »Die Art von Hure, die man mit Münzen bezahlen musste, die zu fein war für das Geschäft mit einfachen Leuten.«
    »Ist sie sein Feinsliebchen?«, fragte Roland mit Lippen, die sich anfühlten, als wären sie mit Eis gekühlt worden.
    »Aye«, sagte Coral. »Noch nicht vollzogen, erst am Erntetag – und mein Bruder ist garantiert nicht besonders glücklich darüber –, aber gekauft und bezahlt wie in alten Zeiten. Das ist sie.« Coral machte eine Pause, dann sagte sie: »Ihr Vater würde vor Scham sterben, wenn er sie jetzt sehen könnte.« Sie sagte es mit einer Art melancholischer Befriedigung.
    »Ich finde, wir sollten nicht zu hart über den Bürgermeister urteilen«, sagte Renfrew mit einer verlegenen, beschwichtigenden Stimme.
    Coral beachtete ihn nicht. Sie betrachtete eingehend den Schwung von Susans Kinn, die sanfte Wölbung deren Busen unter dem Seidensaum des Leibchens, das offene Haar. Der verkniffene Humor war aus Coral Thorins Gesicht gewichen. Es drückte nun eine Art von kalter Verachtung aus.
    Obwohl Roland es nicht wollte, stellte er sich vor, wie der Bürgermeister mit seinen knochigen Fingern die Träger von Susans Kleid nach unten streifte, die Finger über ihre nackten Schultern krabbeln ließ, sie wie graue Krabben in die Höhlung unter ihrem Haar bohrte. Er sah nach unten, zum Ende des Tisches, doch der Anblick, der sich ihm dort bot, war nicht besser. Olive Thorin war es, auf die sein Blick fiel – Olive, die ans Fußende des Tischs verwiesen worden war; Olive, die zu den lachenden Leuten sah, die am Kopfende des Tisches saßen. Olive, die ihren Mann ansah, der sie zugunsten eines wunderschönen jungen Mädchens verstoßen und dieses Mädchen mit einem Juwel ausgestattet hatte, neben dem ihre Ohrringe aus Feuerjuwelen billig wirkten. Ihr Gesicht drückte weder die kalte Verachtung noch den Hass von Coral aus. In dem Fall wäre es vielleicht einfacher gewesen, sie anzusehen. Sie sah ihren Mann nur mit Augen an, die demütig, hoffnungsvoll und unglücklich waren. Nun begriff Roland, warum er gedacht hatte, dass sie traurig war. Sie hatte allen Grund, traurig zu sein.
    Wieder brach die Gruppe um den Bürgermeister in Gelächter aus; Rimer hatte sich vom Nebentisch, wo er den Vorsitz führte, hinübergebeugt und offenbar eine geistreiche Bemerkung beigesteuert. Sie musste ganz gut gewesen sein. Diesmal lachte selbst Jonas. Susan legte eine Hand auf den Busen, dann nahm sie eine Serviette und wischte sich damit eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Thorin legte seine Hand auf die ihre. Sie schaute zu Roland hin und sah ihm, immer noch lachend, in die Augen. Er dachte an Olive Thorin, die da unten am Fußende des Tisches saß, bei Salz und Gewürzen, einen unberührten Teller Suppe vor sich und dieses unglückliche Lächeln im Gesicht. Die dort saß, wo das Mädchen sie auch sehen konnte. Und er dachte, wenn er seine Revolver getragen hätte, dann hätte es gut und gern sein können, dass er einen gezogen und eine Kugel in Susan Delgados kaltes und verhurtes kleines Herz geschossen hätte.
    Und er dachte: Wem willst du etwas vormachen?
    Dann kam einer der Kellner und stellte ein Fischgericht vor ihm ab. Roland war es, als ob ihm in seinem ganzen Leben noch nie weniger nach Essen zumute gewesen war… aber er würde trotzdem essen, genau so, wie er seine Gedanken wieder den Fragen zuwenden würde, die seine Unterhaltung mit Hash Renfrew von der Lazy Susan Ranch aufgeworfen hatte. Er würde sich des Angesichts seines Vaters erinnern.
    Ja, ich werde mich ganz genau daran erinnern, dachte er. Wenn ich nur das Gesicht über jenem Saphir dort vergessen könnte.
     
     

10
     
    Das festliche Abendessen zog sich endlos hin, und auch danach gab es kein Entkommen. Der Tisch in der Mitte des Empfangssaals war entfernt worden, und als die Gäste dorthin zurückkehrten – wie eine Flut, die ihren Höchststand erreicht hatte und nun wieder abklang –, bildeten sie auf Geheiß eines lebhaften kleinen rothaarigen Mannes, dem Cuthbert später den Titel Bürgermeister Thorins Spaßminister verlieh,

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