Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
anfangen und mit Vergnügen den Mann einer frisch gebackenen Witwe im Leichenwagen nach Hause schicken würden.
Stanley, der Barkeeper, servierte ihnen einen Whiskey nach dem anderen, ohne den Versuch zu machen, ein Gespräch in Gang zu bringen, nicht einmal ein: »War ’n heißer Tag Leute, Gents, was?« Sie rochen nach Schweiß, ihre Hände waren klebrig von Kiefernharz. Allerdings nicht so sehr, dass Stanley nicht die blauen Särge sehen konnte, die sie sich darauf tätowiert hatten. Wenigstens war ihr Freund, der alte hinkende Geier mit dem Frauenhaar und dem Klumpfuß, nicht hier. Für Stanley war Jonas der Schlimmste der Großen Sargjäger, obwohl diese beiden hier auch schon schlimm genug waren, und er hatte nicht die Absicht, ihnen in die Quere zu kommen, solange es sich vermeiden ließ. Mit etwas Glück würde das keinem passieren; sie sahen so müde aus, dass sie wahrscheinlich beizeiten das Handtuch werfen würden.
Reynolds und Depape waren müde, das stimmte – sie hatten den ganzen Tag draußen auf dem Citgo-Gelände verbracht und eine Reihe leerer Edelstahltankwagen, deren Seiten mit sinnlosen Wörtern ( TEXACO , CITGO , SUNOCO , EXXON ) beschriftet waren, getarnt und zu diesem Zweck, so kam es ihm vor, eine Milliarde Kiefernzweige geschleppt und aufgestapelt –, aber sie hatten nicht wirklich die Absicht, beizeiten mit dem Trinken aufzuhören. Depape hätte es vielleicht getan, wenn Ihre Hochtrabendheit zur Verfügung gestanden hätte, aber diese junge Schönheit (richtiger Name: Gert Moggins) hatte einen Job auf einer Ranch und würde erst übermorgen wieder hier sein. »Und es könnte eine Woche sein, wenn die Bezahlung stimmt«, sagte Depape verdrossen. Er schob seine Brille auf der Nase hinauf.
»Fick sie«, sagte Reynolds.
»Genau das würde ich, wenn ich könnte, aber ich kann nicht.«
»Ich hol mir einen Teller von dem kostenlosen Essen«, sagte Reynolds und zeigte zum anderen Ende des Tresens, wo gerade ein Blecheimer mit dampfenden Muscheln aus der Küche aufgetragen worden war. »Möchtest du auch welche?«
»Die Dinger sehen aus wie Rotzklumpen und fühlen sich beim Schlucken auch so an. Bring mir einen Streifen Dörrfleisch.«
»Alles klar, Partner.« Reynolds ging am Tresen entlang. Die Leute machten ihm Platz; machten sogar seinem mit Seide eingefassten Mantel Platz.
Depape, der jetzt, wo er daran gedacht hatte, wie Ihre Hochtrabendheit da draußen auf der Piano Ranch Cowboy-Spareribs runterschluckte, übellauniger denn je wurde, kippte seinen Schnaps, verzog das Gesicht wegen des Geruchs von Kiefernharz an seinen Händen und hielt das Glas in Stanley Ruiz’ Richtung. »Mach das voll, du Hund!«, rief er. Ein Kuhhirte, der mit Rücken, Hintern und Ellbogen am Tresen lehnte, schrak zusammen, als Depapes Brüllen ertönte, aber das allein reichte schon aus, dass der Ärger begann.
Sheemie näherte sich geschäftig dem Durchgang, aus dem die Muscheln gerade gebracht worden waren, und hielt den Kameleimer mit beiden Händen vor sich. Später, wenn es im Traveller’s ruhiger wurde, bestand seine Aufgabe darin, sauber zu machen. Im Augenblick jedoch musste er nur mit dem Kameleimer herumlaufen und die Reste aller Drinks hineinschütten, die er fand. Diese Mischung wurde in einen Krug hinter der Bar geschüttet. Der Krug trug eine wahrheitsgemäße Aufschrift – KAMELPISSE –, und man konnte einen Doppelten für drei Pennys bekommen. Es war ein Drink ausschließlich für die Waghalsigen oder die Ärmsten der Armen, aber in jeder Nacht hielten sich von beiden Sorten eine hinreichende Zahl unter dem strengen Blick des Wildfangs auf; Stanley hatte selten Probleme, den Krug leer zu bekommen. Und wenn er bis zur Sperrstunde nicht leer war, nun, dann gab es immer noch den nächsten Abend. Ganz zu schweigen von einer neuen Meute durstiger Narren.
Aber im gegenwärtigen Fall schaffte es Sheemie nicht bis zum Kamelpisse-Krug am hinteren Ende des Tresens. Er stolperte über den Stiefel des Cowboys, der zusammengezuckt war, und ging mit einem überraschten Grunzen in die Knie. Der Inhalt des Eimers spritzte heraus und tränkte, Satans Erstem Hauptsatz der Boshaftigkeit folgend – der da lautet, wenn das Schlimmste passieren kann, passiert es für gewöhnlich auch –, Roy Depape von den Knien abwärts mit einer tränentreibenden Mischung aus Bier, Graf und Maisschnaps.
Die Unterhaltung am Tresen verstummte, und das brachte auch die Unterhaltung der Männer am Würfeltisch zum Verstummen.
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