Der einzige Sieg
Lunch überzugehen, und brummte etwas von wichtigen Telefongesprächen. Das war auch nicht unbedingt die Unwahrheit, aber der eigentliche Grund war, daß der junge »Stellvertretende Studienleiter« einfach auf zu viele Dinge zu neugierig schien.
Als Carl mit dem Wagen zum Hotel zurückfuhr, überlegte er amüsiert, wie die Amerikaner das Ganze wohl aufgezogen hatten. Ihr Junior in Sidi Bou Said hatte vermutlich eine clearance , die diesmal sowohl weit über seine früheren Erfahrungen wie über seine eigenen Vorstellungen hinausging. Sein Kontakt mit dem CIA-Hauptquartier, vermutlich mit der Codebezeichnung Green Dragon, führte jedoch nicht zu einer einfachen Bearbeitungseinheit aus niederen Beamten, sondern direkt zum Beraterstab des Weißen Hauses. So konnten sie alles unter Kontrolle halten, dabei sein und gleichzeitig doch nicht dabei sein und sich im schlimmsten Fall aufs Telefon stürzen, um den schwedischen Ministerpräsidenten anzurufen, falls sie der Meinung waren, man müsse Carl auf die Finger klopfen oder straffere Zügel anlegen. Da Carl Bildt in jeder nur denkbaren Lage auch der undenkbarsten Anweisung aus Washington gehorchen würde, ließ sich das Problem einfach formulieren. Wenn es brenzlig wurde, durfte Carl einfach nicht ans Telefon gehen, wenn der Chef anrief. Doch all dies waren bis auf weiteres hypothetische Vorüberlegungen. In Wahrheit hing alles davon ab, wie die Palästinenser reagieren würden.
Als er wieder in seinem Hotel war, erfuhr er, daß noch immer niemand angerufen hatte. Er ging an den Strand, schwamm weit hinaus, trainierte anschließend eine Stunde in seinem Zimmer, ging erneut schwimmen und setzte sich dann eine Stunde mit seinen russischen Sprachbändern hin. Anschließend schaltete er kurz CNN ein, um zu sehen, wie es um die Kriegsvorbereitungen stand. Es war ungefähr wie erwartet. Man sprach aufgeregt von der Operation Dragon Hammer, erklärte jedoch nicht, worum es ging, sondern zeigte nur Bilder von Flugzeugen, die auf Flugzeugträgern starteten und landeten. Anschließend folgten die üblichen Darbietungen: Brüllende Araber, die Autoreifen verbrannten und mit automatischen Karabinern herumfuchtelten. Im Studio gab jemand eine psychiatrische Analyse ab, derzufolge Moammar Ghaddafi gerade jetzt ungewöhnlich irrsinnig sei. Das sah beruhigend aus. Nichts hatte sich verändert.
Carl ging zu dem kleinen Gartenrestaurant neben den zwei großen Swimmingpools des Hotels und nahm eine leckere Mahlzeit zu sich: Mittelmeerkrabben mit Pilaw-Reis, harissa und schwarze Oliven. Dazu trank er ein Glas eines überraschend kräftigen tunesischen Roséweins und betrachtete eine Weile den Sonnenuntergang hinter den Bergen, bevor er wieder in sein Zimmer zurückging.
Es läutete im selben Moment, in dem er den Schlüssel umdrehte. Als er zum Telefon eilte, überkam ihn das Gefühl, daß dies kein Zufall war. Eine französisch sprechende Person teilte mit, seine Exzellenz der Außenminister sei jetzt zu einem kurzen Treffen bereit und man habe schon einen Wagen geschickt, um Carl abzuholen. Dieser bat etwas umständlich in seinem mangelhaften Französisch, zur Kontrolle zurückrufen zu dürfen, erhielt zunächst jedoch die säuerliche Antwort, daß sei wirklich nicht nötig. Als er dann erklärte, daß er nicht die Absicht habe, sich in der Dunkelheit in einen anonymen Wagen mit anonymen bewaffneten Männern zu setzen, ohne zu wissen, wer angerufen habe, erhielt er nach einigem Widerstreben am anderen Ende eine Telefonnummer. Er legte auf, zog sein kleines Notizbuch mit Telefonnummern aus der Tasche und sah, daß die angegebene Nummer tatsächlich die richtige war – er wählte den Stab des palästinensischen Außenministers Abu Lutuf an, bekam dieselbe Person an den Apparat und entschuldigte sich für die Umstände, die er gemacht habe.
Zwei mürrische, überraschend dicke und auffallend schwerbewaffnete Männer holten ihn kurz darauf vor dem Hotel ab. Er setzte sich zwischen Essensresten und politischen Pamphleten auf den Rücksitz und fühlte sich sofort völlig entspannt. Die Lässigkeit der Männer war sehr überzeugend. Sie waren sicher Palästinenser und hatten vermutlich keine Ahnung, wen sie diesmal abholen sollten. Sie kümmerten sich nicht um ihren Fahrgast auf dem Rücksitz und vertieften sich in eine Diskussion, bei der es eher um private Dinge zu gehen schien als um den palästinensischen Freiheitskampf.
Als sie auf der schnurgeraden Autobahn den Flughafen passiert
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