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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatten, erreichten sie das eigentliche Tunis, bogen aber schnell in Richtung Stadtrand ab, wie es schien, da die leeren Straßen und die Hochhäuser entschieden nach Vorort aussahen. Danach fuhren sie über einige Hügel, worauf sich der Vorortscharakter veränderte. Jetzt befanden sie sich unter älteren Bauten. In einem Gewimmel von kleinen Mietshäusern und Villen hielt der Wagen plötzlich an. Der Fahrer wies mit dem Daumen über die Schulter und zeigte so, daß Carl aussteigen sollte.
    Er befand sich auf einer schwach erleuchteten Straße vor einem dreistöckigen Haus, dessen Eingang von zwei kleinen Schilderhäuschen flankiert war. Die Polizeibeamten waren uniformiert und bewaffnet. Sie traten vor und baten Carl höflich, seinen Ausweis zu zeigen, und fragten, zu wem er wolle. Nachdem er seinen Diplomatenpaß gezeigt hatte, verwiesen sie ihn nur müde weiter an einige dunkle Gestalten auf der anderen Seite des schmiedeeisernen Portals. Dort unterzogen ihn Zivilisten einer sorgfältigen Kontrolle. Sie trugen Kalaschnikow-Karabiner über der Schulter und hatten sich Pistolen in den Hosenbund gesteckt. Auf der Vorderseite. Die Mündung richtete sich gegen ihre Männlichkeit.
    Sie schienen überhaupt nicht zu wissen, daß Carl erwartet wurde. Einer begann zu erklären, daß er sich lange vorher einen Termin geben lassen müsse, wenn er Abu Lutuf treffen wolle. Außerdem befinde sich Abu Lutuf im Augenblick nicht im Haus und sei sehr beschäftigt.
    Carl scherzte amüsiert, wie gefährlich es sei, eine Pistole zu tragen, die sich gegen den besten Freund richte und nicht gegen den Feind, und erklärte dann, Abu Lutuf habe sogar einen Wagen geschickt, um ihn abzuholen. Er wolle nicht näher erklären, wer er sei oder worum es gehe.
    Einer der Wachposten nahm Carls Paß müde an sich und verschwand in dem Gebäude, während Carl mit drei Wachposten draußen in der Dunkelheit wartete.
    Nach einiger Zeit zeigte sich oben am Ende der Treppe eine Gestalt in einem Anzug und rief etwas auf arabisch. Der Carl am nächsten stehende Wachposten versetzte Carl mit der Mündung seines Karabiners einen freundlichen Schubs, um zu zeigen, daß er die Treppe hinaufgehen solle.
    Auf der halben Treppe wurde er von einer Person in einem dunklen Anzug in Empfang genommen, die stark nach Knoblauch und einem Herrenparfum duftete und sich sofort auf ihn stürzte. Der Mann umarmte und küßte ihn und versicherte, er sei in Tunis herzlich willkommen. Dann durfte er, in dem starken Licht blinzelnd, das Erdgeschoß der Villa betreten.
    Dort befanden sich weitere Wachposten und Sandsäcke, die Carl endgültig überzeugten, an der richtigen Adresse angekommen zu sein; Abu Lutuf war einer der letzten langgedienten Angehörigen der palästinensischen Führung, welche die Israelis noch nicht getötet hatten. Seine Vorsicht war also nicht ganz unbegründet.
    Carl mußte eine weitere Treppe hinaufgehen, wo weitere Wachposten standen. Diese suchten ihn mit einem Metalldetektor ab und nahmen ihm sein Taschenmesser weg, bevor sie ihn zu einer mächtigen Tür führten, die wie ein alter englischer Ledersessel gepolstert war. Als er eintrat, landete er direkt in Abu Lutufs Amtszimmer. Das erste, was Carl sah, war Abu Lutuf hinter einem großen und mit Papieren überladenen Schreibtisch. Auf der Sitzgruppe, die selbstverständlich zur Einrichtung des Raums gehörte, saßen einige Personen, die sich heftig stritten. Abu Lutuf schien an der Auseinandersetzung nicht teilzunehmen, denn er saß auf seinem Stuhl und schrieb.
    Der Wachposten, der Carl ins Zimmer gefolgt war, zeigte auf einen der unbesetzten schwarzen, mit Kunstleder bezogenen Sessel. Nach einem zweifelnden Blick auf die aufgerissene Polsterung und die Zigarettenasche auf dem Sitz setzte sich Carl. Es war offenkundig, daß er noch etwas warten mußte; die anderen Männer an dem Couchtisch begrüßten ihn schnell und uninteressiert und setzten dann ihre heftige Diskussion fort. Carl betrachtete Abu Lutuf verstohlen. Dessen eigentlicher Name war Farouk Khadoumi. Er war einer der wirklichen Veteranen in der palästinensischen Führung, einer der allerersten Männer des Kreises um Jassir Arafat, Abu Ammar. Falls es den Israelis gelingen sollte, sogar Jassir Arafat zu töten, wäre Abu Lutuf vermutlich angesichts seiner langen Erfahrung der selbstverständliche neue Führer, obwohl er sich noch nie mit militärischen Fragen befaßt hatte. Er galt als ausgeprägter Intellektueller.
    Hätte Carl nicht

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