Der einzige Sieg
Lächeln. Es war, als hätte er sich durch seinen Umgang mit dem schwedischen Ministerpräsidenten ein bestimmtes Verhalten antrainiert: Laß immer den Boß persönlich die entscheidenden Schlußfolgerungen ziehen.
»Damit hätten wir angesichts der künftigen Friedensverhandlungen eine außerordentlich starke diplomatische Karte in der Hand«, schloß Abu Lutuf mit einem in sich gekehrten Lächeln. Dann saß er einige Augenblicke stumm da und ließ dann plötzlich ein halb gezischtes, gedämpftes Lachen hören, schüttelte den Kopf, stand auf, ging um den Schreibtisch herum und umarmte Carl erneut.
Irgendwo in der Nähe fand ein Kongreß statt. Dort sollte über eine wichtige Resolution abgestimmt werden, und Abu Lutuf mußte los. Sie einigten sich jedoch schnell auf einige praktische Details. Sie klärten, welche PLO-Angehörigen Carl während seines Aufenthalts in Tunis treffen und wie lange er bleiben sollte sowie noch einige Dinge. Dann entschuldigte sich Abu Lutuf und rannte in Begleitung seiner Sicherheitsbeamten los. Auf dem Weg hinaus gab er Befehl, Carl mit einem Wagen wieder in sein Hotel zu fahren.
Carl erhielt sein beschlagnahmtes Taschenmesser zurück, das natürlich auch ein Mordwerkzeug war, ging zu den Sicherheitswachen hinaus und sprach mit ihnen über deren Waffen. Er bat, sich eine Pistole ansehen zu dürfen, und äußerte einige scherzhafte Bemerkungen, welche Folgen es haben könne, wenn die Mündung so unglücklich auf einen selbst gerichtet sei. Er bekam eine russische Tokarew-Pistole in die Hand. Sie hatte keine Sicherung. Carl zeigte, wie leicht der Abzug sich in den Kleidern verhaken konnte, wenn man die Pistole ziehen mußte. Und er erklärte, welche unglücklichen Folgen das nicht nur für einen arabischen, sondern für jeden beliebigen Mann haben könne.
Dann wurde sein Wagen vorgefahren. Es hätte ebensogut ein Zufall wie eine Art unbewußte Beförderung durch Abu Lutuf sein können, aber der neue Wagen war innen perfekt gesäubert und durch eine Klimaanlage gekühlt. Die beiden Männer, die ihn begleiten sollten, waren gut gekleidet und sprachen Englisch. Nach einigem Zögern kam Carl zu dem Schluß, daß es wohl ein Zufall war. Es hätte bei der Rückfahrt ebensogut so sein können wie bei der Herfahrt.
Die beiden Araber fanden das Hotel draußen in Gammarth, ohne zu fragen, und fuhren selbstsicher und auffällig zum Haupteingang des Hotels. Einer der beiden stieg aus und öffnete Carl die Tür. Er machte sogar einen kleinen Ansatz zu einer Ehrenbezeigung. Carl bedankte sich freundlich, obwohl er der Meinung war, etwas mehr Zurückhaltung wäre angebrachter gewesen. Im Grunde fiel es ihm schwer, sich gerade hier eine drohende Gefahr oder überhaupt Feinde vorzustellen, doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß die Frage, ob jemand Freund oder Feind ist, nicht immer so klar zu entscheiden war, wie man manchmal glaubte.
Er ging direkt auf sein Zimmer und öffnete die Minibar. Er trank mit wenigen Zügen eine Flasche mit einem trüben Orangensaft leer, musterte mißtrauisch das Etikett und entdeckte, daß der Saft ein israelisches Erzeugnis war. Er schüttelte ironisch lächelnd den Kopf und trat auf den Balkon. Er machte das Licht aus. Vielleicht wollte er sich nicht im Umriß zeigen, vielleicht wollte er in der Dunkelheit nur eine bessere Aussicht aufs Meer.
Unterhalb seines Balkons entdeckte er ein großes Flachdach mit einigen Kuppeln, die vermutlich rein dekorative Funktion hatten. Unter diesem Dach befanden sich einige Hotelsuiten mit Fenstern und Türen zu ebener Erde. Von dort waren es nur rund zehn Meter bis zum Sandstrand. Von Carls Dach waren es kaum zwei Meter bis hinunter zum Dach; für Einbrecher und Diebe ideal.
Draußen auf See sah er die Lichter vereinzelter Fischerboote. Er vermutete, daß sie mit Hilfe von Licht Sardinen fischten, war sich aber nicht sicher. Der Wind war lau und feucht und roch stark nach Meer. Der Sternenhimmel war fast völlig klar.
Er wußte, daß er für seinen unerklärlichen Optimismus keine sonderlich rationalen Gründe hatte. Libyen war ein ungeheuer weitläufiges Land, das zum größten Teil aus der unendlichen Sahara bestand. Mit Ausnahme von Flugzeugen waren andere Transportmittel nicht zu gebrauchen. Dennoch war nichts unmöglich. Wenn es wichtig genug war, war es zu machen. Ihm fiel sofort Colin Powells Hausregel Nummer vier ein: »Es läßt sich machen!«
Das gleiche Gefühl gab ihm auch die Gewißheit, daß die beiden
Weitere Kostenlose Bücher