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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schattengestalten, die jetzt auf das weiße Flachdach unter ihm geklettert waren und vorsichtig hinter einer der Kuppeln Deckung suchten, hinter ihm her waren. Dennoch war er nicht besorgt. Er trat in der Dunkelheit einen Schritt zurück, damit man ihn nicht sehen konnte. Er war nicht bewaffnet, doch das machte ihm keine Sorgen. Er befand sich in der überlegenen Position dessen, der den Gegner als erster gesehen hat.
    Plötzlich löste sich einer der beiden Schatten und begab sich schnell zur nächsten Kuppel, die sich etwa zehn Meter näher an Carls Fenster befand. Die bewegen sich wie Militärs. Es sind keine gewöhnlichen Diebe, dachte Carl fast amüsiert.
    Es kam ihm vor, als lenkte er und nicht die beiden dort unten den folgenden Handlungsverlauf. Sie taten genau das, was er ihnen zugedacht hatte. Die nächste Bewegung führte folglich direkt zur Hauswand unter seinem Balkon. Er hörte die beiden Männer etwas flüstern. Dann wußte er, was sie taten, ohne es zu sehen: Einer machte sich selbst zum Treppenabsatz, der andere hob den Fuß, flüsterte, er sei bereit. Dann wurde der erste Mann nach oben gehoben und schwang sich mit einer schnellen Bewegung über Carls Balkongeländer. Er landete auf dem gekachelten Fußboden. Er schaffte es jedoch nicht, sich zu erheben, denn Carl war schon über ihm und hielt ihn mit einem harten Griff fest, während er ihn nach Waffen durchsuchte. Er fand eine Pistole, die er schnell entsicherte und auf den Hinterkopf des Eindringlings richtete. Carl lauschte, was der zweite Mann unten auf dem Dach tun würde, und erkannte, daß dieser gar nichts tun würde, bevor er ein Zeichen von dem Kameraden erhielt, den er soeben unter unerklärlichem Schweigen hinaufgeschickt hatte. Vielleicht waren es junge Leute. Jedenfalls hielt Carl keinen erwachsenen Mann fest. Er preßte das Knie gegen den zartgliedrigen Rücken, hielt die Pistole auf das Balkongeländer gerichtet und verschloß dem Gefangenen mit einer Hand den Mund. Er spürte keinerlei Widerstand, keinerlei Willen, sich zu wehren oder dem zweiten Mann dort unten etwas mitzuteilen. So riß Carl seinen Gefangenen hoch, drehte ihn mit dem Gesicht zum Balkon und stellte sich mit schußbereiter Waffe dahinter. Dann lockerte er seinen Griff und trat einen Schritt zurück, um zu sehen, was geschah. Er hatte nicht das Gefühl von Gefahr, überlegte sogar, daß er das als sehr eigentümlich und unklug empfand. Ihn amüsierte die Situation fast, als wäre sie eine lustige kleine Unterbrechung des langweiligen Wartens.
    Sein Gefangener hob sacht, demonstrativ sacht die Hände und legte sie zum Zeichen der Unterwerfung um den Nacken. Dann drehte er sich langsam um.
    »Du hast dich nicht verändert. Was ist das für eine verdammte Art, alte Freunde zu empfangen«, sagte sie sarkastisch und zog ihre palästinensische kafiya zur Seite, die fast ihr gesamtes Gesicht verborgen hatte.
    »Mouna!« rief er verblüfft aus und wollte sie gerade umarmen, als er verlegen die Waffe entdeckte, die er in der Hand hielt. Er sicherte sie mit dem rechten Daumen und ließ sie in der Hand herumwirbeln, so daß er sie am Lauf halten konnte. Erst dann umarmte er sie. Sie blieben einige Sekunden lang so stehen, doch dann schob sie ihn sacht von sich und lehnte sich über das Balkongeländer. Sie sprach schnell einige geflüsterte Worte, die vermutlich bedeuteten, es sei alles unter Kontrolle. Der Schatten dort unten tappte über das Hausdach, ohne etwas zu sagen.
    »Ist es nicht ein bißchen dumm, mich so besuchen zu wollen?« sagte Carl ironisch und zeigte auf einen Kunstledersessel auf dem Balkon, während er sich auf den anderen setzte und ihr mit der gleichen Bewegung ihre Pistole reichte.
    »Wir hatten gedacht, du würdest nicht zu Hause sein. Wir glaubten nämlich, daß du noch bei Abu Lutufs Leuten bist. Wir hatten gedacht, du würdest länger auf einen Wagen warten müssen, als es offensichtlich der Fall gewesen ist«, sagte sie fast mürrisch. Doch dann besann sie sich, schüttelte kichernd den Kopf und sagte etwas auf Arabisch. Carl vermutete, daß es so etwas hieß wie »Der Barmherzige schützt Kinder und Verrückte.«
    »Ich hatte mir also gedacht, ich würde brav hier sitzen und auf dich warten«, fuhr sie mit der gleichen Munterkeit fort. »Es sollte sozusagen ein diskretes und geschickt eingefädeltes Treffen werden.«
    »Na ja, es ist am Ende ja gutgegangen«, sagte er unschuldig.
    »Wie lange ist es her? Drei Jahre?«
    »Du meinst seit unserer

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