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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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letzten Zusammenarbeit, dieser Geiselnehmer-Geschichte in Beirut? Ja, es sind drei Jahre. Drei lange Jahre«, fügte sie mit einem Seufzer hinzu.
    Carl ahnte in der letzten Bemerkung mehr Schmerz, als sie zeigen oder im Moment diskutieren zu wollen schien, und so verzichtete er auf Erkundigungen nach Leben und Gesundheit. Er beschloß, mit dem Dienstlichen zu beginnen.
    »Du besuchst mich dienstlich, und jemand hat dich geschickt?« fragte er. Es war eher eine knappe Feststellung als eine freundliche Frage.
    »Ja«, erwiderte sie, »natürlich. Mich hat ein Mann geschickt, dessen Namen du nicht kennen darfst, der aber Abul Houls Nachfolger und mein höchster Vorgesetzter ist. Abul Houl ist tot, wie du weißt.«
    »Mm«, sagte Carl mit einem Kopfnicken. »Wahrscheinlich die Israelis? Ist es aber sehr klug gewesen, mit der ganzen Bande in einer Kolonie am Meer zu leben? Es konnte ja einfach nicht ausbleiben, daß eines Tages so etwas passiert.«
    »Ja«, bestätigte sie mit einem Achselzucken. »Es mußte irgendwann so kommen, und so war es auch. Jetzt wohnen wir über ganz Tunis verstreut und müssen ständig mit dem Wagen hin und her fahren. Das ist nicht nur für uns lästig, sondern auch für die israelischen Spione. Sie haben mit Abul Houl auch meinen Mann getötet.«
    »Deinen Mann…?« fragte er flüsternd und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu erkennen, doch sie hatte sich abgewandt.
    »Ich habe nicht gewußt, daß du verheiratet warst.«
    »Als wir uns beim letzten Mal trafen, war ich es noch nicht.
    Er war Arzt. Er hatte absolut nichts mit meinem Job zu tun. Er kam, um mich bei Abul Houl abzuholen, und wußte nicht, daß ich nicht dort war. Ich hätte dort sein sollen, war es aber nicht.«
    »Das tut mir wirklich leid für dich…«, flüsterte Carl vorsichtig. »Aber du weißt, wie es ist. Wir haben keine guten Worte für solche Situationen.«
    »Ja, Carl. Ich bin überzeugt, daß du meine Trauer teilst, das bin ich wirklich«, sagte sie und drehte sich dann entschlossen zu ihm um. »Und jetzt zum Geschäft. Wir glauben zu wissen, wo sich das Ziel befindet.«
    »Das nenne ich schnell marschiert«, sagte Carl verblüfft. »Ihr habt die Nachricht doch erst vor ein paar Stunden erhalten.«
    Sie lachte leise auf und schüttelte den Kopf. Ja, es könne schon den Anschein haben, als sei das schnell marschiert. In Wahrheit sei es jedoch eher darum gegangen, zwei und zwei zusammenzuzählen.
    Im Januar war in Tripolis etwas ausgeladen worden, wofür man zuvor den halben Hafen abgesperrt hatte, und dieses Etwas war dann schnell wegtransportiert worden. Das hatte zunächst nur zu einigen Gerüchten geführt. Doch dann war für einige Zeit ein palästinensischer Physiker verschwunden; er war eigentlich Forscher an einer amerikanischen Universität, hatte sich aber in den Kopf gesetzt, zu seinen Wurzeln zurückzukehren, und war so in Libyen gelandet. Natürlich hatte sich der palästinensische Nachrichtendienst schnell seiner Dienste versichert. Nach seinem Verschwinden hatte er sich in Briefen an einige Freunde nur recht allgemein äußern können, denn diese Briefe waren offenkundig zensiert worden. Er hatte jedoch eine lustige Chiffre verwendet, eine recht einfache, mit der er in etwa angab, wo er sich befand.
    Der Ort hatte eigentlich keinen Namen. Es war eine kleine Oase, die zweihundertzwanzig Kilometer von Matar as Sarra entfernt lag.
    Sie hatte den Namen erwähnt, als wäre es selbstverständlich, daß Carl ihn kannte. Er war gezwungen, sie zu unterbrechen und zu fragen.
    Matar as Sarra war ein riesiges Exil für fast fünftausend Mann der Palästinenser-Armee, die vor Jahren gezwungen worden war, Beirut zu verlassen. Außerdem war es ein Ausbildungslager. Dort unten in der Wüste im Grenzgebiet zwischen Libyen, Sudan und Tschad konnte man wahrlich kaum mehr tun, als seine militärische Schlagkraft zu erhöhen.
    Carl ging in sein Zimmer und kramte eine Karte Nordafrikas hervor. Er studierte sie kurz unter einer Nachttischlampe, löschte dann das Licht und ging wieder auf den Balkon, auf dem sie wartete.
    »Der rätselhafte Gegenstand oder das rätselhafte Material, das im Januar im Hafen von Tripolis angekommen ist, befindet sich also jetzt dort unten, zweihundertzwanzig Kilometer von dieser Basis entfernt?« fragte er.
    »Ja, da sich unser verschwundener Kernphysiker auch dort befindet. Wir wußten zwar, daß sich bei den Libyern etwas Merkwürdiges tut, aber nicht was. Außerdem konnten wir nicht ohne

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