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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Angelegenheit bis auf weiteres als ausdiskutiert ansehen, da es immerhin eine politische Schwelle gab, die in der PLO- Führung übersprungen werden mußte.
    Carl hielt das für eine gute Idee. Er sah auf die Uhr und entdeckte, daß es kurz nach Mitternacht war und daß er seit dem Kaffee bei Abu Lutuf am Nachmittag weder gegessen noch getrunken hatte. Er schlug ihr vor, sie solle die Rolle einer einheimischen Prostituierten spielen, damit er eine nächtliche Mahlzeit für zwei Personen bestellen konnte; die Palästinenser der PLO waren ohnehin dafür berüchtigt, daß sie erst nach Mitternacht aßen.
    Sie gab nach einigem Zögern nach. Ihre Reserviertheit taute erst nach und nach auf, als ihnen verschiedene Gerichte auf den Balkon gebracht wurden. Sie hatten immerhin gemeinsame Erinnerungen und standen einander persönlich sehr nahe, ohne sich je auch nur geküßt zu haben.
    Samuel Ulfssons erste Reaktion war starke Verblüffung gewesen. Dann war er, was sehr ungewöhnlich war, ganz einfach wütend geworden, als ihm die ganze Tragweite dessen aufging, was die beiden kerzengerade dastehenden und stammelnden Leutnants zu erklären versuchten.
    »Keine Gewalt, hatte ich gesagt! Nicht noch mehr erschossene Gangster, hatte ich gesagt!« hatte er sie angebrüllt, als befänden sie sich auf einem Kasernenhof früherer Zeiten.
    Jetzt im nachhinein, bereute er sein Gebrüll im Grunde nicht. Es fiel ihm wenigstens leicht, seine eigene spontane Reaktion zu entschuldigen. Schließlich hätte sich niemand selbst in seiner wildesten Phantasie vorstellen können, was abgesehen von den konkreten Fakten geschehen war, nämlich daß Luigi Bertoni zwei Polizeibeamte bei einem dienstlichen Auftrag verprügelt und Göran Karlsson zwei verdächtige Gangster erschossen hatte. Es war ebenso komisch wie verständlich, daß die beiden Untergebenen zunächst davon berichtet hatten, als sie bei ihrem höchsten Chef auftauchten.
    Doch schon während der erregten Nachrichtensendungen der ersten Nacht – unter anderem hatte es bei dem kommerziellen Privatfernsehen Sondersendungen gegeben – wurde mit entsetzlicher Deutlichkeit klar, daß es kaum die Repräsentanten des Generalstabs gewesen waren, die auf der Walstatt die schlimmsten Dummheiten begangen hatten.
    Samuel Ulfsson erinnerte sich immer noch mit einem Kopfschütteln an ein Fernsehinterview, das ihm zunächst wie ein etwas geschmackloser Scherz vorgekommen war. Eine Person, die angeblich Polizeioberrat war und Chef der erst vor kurzem gegründeten Sondereinsatztruppe der Polizei, ONI, wurde interviewt.
    Die fragliche Figur war im Gesicht mit schwarzen und grünen Streifen geschminkt wie Gebirgsjäger vor einem Angriff und trug statt einer Uniformmütze ein Stirnband. Um das Maß voll zu machen, nannte man ihn »den Tiger«.
    Der Herr Polizeioberrat, genannt »der Tiger«, hatte mit den Augen gerollt und versichert, Verluste ließen sich nur schwer vermeiden, wenn es um Zusammenstöße mit Berufsmördern gehe.
    Die Polizei hatte nämlich erhebliche Verluste erlitten. Vier durch Schußverletzungen schwer Verwundete und einen toten Beamten – neben den zwei Polizisten, die Luigi eingestandenermaßen verprügelt und entwaffnet hatte.
    Während dieser Augenblicke vor dem Fernseher war es im Kopf Samuel Ulfssons auf höchst ungewohnte Weise durcheinandergegangen: Wenn Göran Karlsson die beiden Terroristen getötet hatte, woher kamen dann die Verluste der Polizei? Infolge welcher Schußwechsel mit wem?
    Samuel Ulfsson konnte sich in diesem Moment noch nicht vorstellen, daß die Erklärung das war, was in der Militärsprache friendly fire genannt wird, daß man also aus Versehen auf die eigenen Leute schießt. Er hatte, immer noch wütend, Göran Karlsson angerufen, der noch wach war und überdies ein wenig angesäuselt mit Luigi zusammensaß, und eine Erklärung erbeten.
    Als er die verblüffende Erklärung erhalten hatte, daß sämtliche Schußwechsel mit Ausnahme des ersten zwischen verschiedenen Polizisten stattgefunden hatten, schlug Samuel Ulfssons Verblüffung erneut in Aggression um. Er schrie in den Hörer, das hätte er schon erfahren müssen, als die Herren früh am Abend versucht hätten, ihm Bericht zu erstatten. Damit hatte er den Hörer auf die Gabel geworfen. Er lächelte bei der Erinnerung daran und gestattete sich ein paar ironische Gedanken über sich selbst sowie darüber, was die armen zusammengestauchten Leutnants gemeint und empfunden haben mußten, als er angerufen

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