Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
freilich so, als wäre nun Jeder ein Eigentümer. Indes statt der Regierung, statt des Fürsten, ward jetzt Eigentümerin und Herrin – die Nation . Von nun an heißt das Ideal – »Volksfreiheit – ein freies Volk« usw.
Schon am 8. Juli 1789 zerstörte die Erklärung des Bischofs von Autun und Barrères den Schein, als sei Jeder, der Einzelne , von Bedeutung in der Gesetzgebung: sie zeigte die völlige Machtlosigkeit der Kommittenten: die Majorität der Repräsentanten ist Herrin geworden. Als am 9. Juli der Plan über Einteilung der Verfassungsarbeiten vorgetragen wird, bemerkt Mirabeau: »Die Regierung habe nur Gewalt, kein Recht; nur im Volke sei die Quelle alles Rechts zu finden.« Am 16. Juli ruft ebenderselbe Mirabeau aus: »Ist nicht das Volk die Quelle aller Gewalt ?« Also die Quelle alles Rechts und die Quelle aller – Gewalt! Beiläufig gesagt, kommt hier der Inhalt des »Rechts« zum Vorschein: es ist die – Gewalt . »Wer die Gewalt hat, der hat das Recht.«
Das Bürgertum ist der Erbe der privilegierten Stände. In der Tat gingen nur die Rechte der Barone, die als »Usurpationen« ihnen abgenommen wurden, auf das Bürgertum über. Denn das Bürgertum hieß nun die »Nation«. »In die Hände der Nation« wurden alle Vorrechte zurückgegeben. Dadurch hörten sie auf, »Vorrechte« zu sein: sie wurden »Rechte«. Die Nation fordert von nun an Zehnten, Frondienste, sie hat das Herrengericht geerbt, die Jagdgerechtigkeit, die – Leibeigenen. Die Nacht vom 4. August war die Todesnacht der Privilegien oder »Vorrechte« (auch Städte, Gemeinden, Magistrate waren privilegiert, mit Vorrechten und Herrenrechten versehen), und endete mit dem neuen Morgen des »Rechtes«, der »Staatsrechte«, der »Rechte der Nation«.
Der Monarch in der Person des »königlichen Herren« war ein armseliger Monarch gewesen gegen diesen neuen Monarchen, die »souveräne Nation«. Diese Monarchie war tausendfach schärfer, strenger und konsequenter. Gegen den neuen Monarchen gab es gar kein Recht, kein Privilegium mehr; wie beschränkt nimmt sich dagegen der »absolute König« des ancien régime aus! Die Revolution bewirkte die Umwandlung der beschränkten Monarchie in die absolute Monarchie . Von nun an ist jedes Recht, welches nicht von diesem Monarchen verliehen wird, eine »Anmaßung«, jedes Vorrecht aber, welches Er erteilt, ein »Recht«. Die Zeit verlangte nach dem absoluten Königtum , der absoluten Monarchie, darum fiel jenes sogenannte absolute Königtum, welches so wenig absolut zu werden verstanden hatte, daß es durch tausend kleine Herren beschränkt blieb.
Was Jahrtausende ersehnt und erstrebt wurde, nämlich jenen absoluten Herrn zu finden, neben dem keine anderen Herren und Herrchen mehr machtverkürzend beständen, das hat die Bourgeoisie hervorgebracht. Sie hat den Herrn offenbart, welcher allein »Rechtstitel« verleiht, und ohne dessen Gewährung nichts berechtigt ist. »So wissen wir nun, daß ein Götze nichts in der Welt sei, und daß kein ander Gott sei ohne der einige.«
Gegen das Recht kann man nicht mehr, wie gegen ein Recht, mit der Behauptung auftreten, es sei »ein Unrecht«. Man kann nur noch sagen, es sei Unsinn, eine Illusion. Nennete man's Unrecht, so müßte man ein anderes Recht dagegenstellen und an diesem es messen. Verwirft man hingegen das Recht als solches, das Recht an und für sich, ganz und gar, so verwirft man auch den Begriff des Unrechts, und löst den ganzen Rechtsbegriff (wozu der Unrechtsbegriff gehört) auf.
Was heißt das, Wir genießen Alle »Gleichheit der politischen Rechte?« Nur dies, daß der Staat keine Rücksicht auf Meine Person nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur ein Mensch bin, ohne eine andere ihm imponierende Bedeutung zu haben. Ich imponiere ihm nicht als Adliger, Sohn eines Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, dessen Amt Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafschaften usw. und später unter dem absoluten Königtum, wo erbliche Ämter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Bataillon, eine Kompagnie usw. zu führen, das Recht, an einer Universität zu lesen usw.; er hat sie zu vergeben, weil sie die seinigen, d. h. Staatsrechte oder »politische« Rechte sind. Dabei ist's ihm gleich, an wen er sie erteilt, wenn der Empfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlassenen Rechten entspringen. Wir sind ihm Alle recht und – gleich , Einer nicht mehr und
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