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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Tutti. Es war für den Anfang zu fett. Das verträgt er wirklich nicht. Wir müssen es sachter mit ihm angehen lassen. Jedenfalls wollen wir hören, was der Arzt sagt. Gleich morgen mittag gehen wir zum Arzt.«
    Zu dreien gingen sie dann los. Lange, lange saßen sie im Wartezimmer des Arztes, das überfüllt war. Auf allen Stühlen saßen sie, an den Wänden lehnten sie. Graue Gestalten, müde, ohne Hoffnung. Fast nur Frauen, aber fast alles Frauen mit Kindern.
    Es war nicht die Sprechstunde des eleganten Privatarztes im Westen, hier war man bei einem Kassenarzt im Osten. Die hier saßen, blätterten nicht in Zeitschriften, hier war es,als sitze eine große Familie beisammen. Alle redeten mit allen, alle hatten die gleichen Sorgen, einer war ebenso wie alle anderen …
    »Wenn er meinem Willi bloß was verschreibt. Der Junge ist mir schon zweimal umgefallen.«
    »Der verschreibt schon – dem ist es egal. Dem ist überhaupt alles egal.«
    »Sagen Sie bloß das nicht, der Mann hat ’n Herz wie Gold. ›Sie müßten ins Krankenhaus, sich mal ordentlich ausruhen‹, hat er zu mir gesagt.«
    »Na, und sind Sie ins Krankenhaus, sich ausruhen?«
    »Ich kann doch nicht! Fünf Blagen hab ich zu Haus – was soll aus denen werden, wenn ich mich hinlege?!«
    »Sehen Sie! Was ich sage! Was nützt Ihnen da sein goldenes Herz?!«
    »Mit dem Verschreiben ist es nicht allein getan«, fing eine andere Frau an. »Unserer Omi hat er auch Milch verschrieben, aber sie ist ihr nicht bewilligt. Er hat auch Obere über sich.«
    »Ein alter Mensch – wozu soll der auch Milch kriegen? Wo die jungen verhungern!«
    »Sie reden auch, wie Sie’s verstehen. Unsere Omi kriegt Altersrente, achtundzwanzig Mark im Monat, das hilft im Haushalt! Hundert Jahre müßte sie werden, die Omi!«
    Aus einer anderen Ecke des Sprechzimmers kam es flüsternd, geheimnisvoll herüber: »… und wenn Se mal’n Bückling kriegen, dann nehmen Se de Haut un den Schwanz un den Kopp, überhaupt alles, was überbleibt, un denn wiegen Se das ganz fein mit ’nem Wiegemesser – und denn braten Se darin Ihre Bratkartoffeln! Det schmeckt. Sie ahnen ja nich, wie fett so’ne Bücklingshaut is!«
    »Det will ick mir merken. Wir haben se immer bloß abgelutscht. Aber Kartoffeln mit braten, det is besser …«
    »An de Steckrüben können Se de Pelle ooch tun, denn schmecken se ganz schmalzen …«
    »Reden Se bloß nich von Steckrüben! Meine Schwiegermutteram Sonntag hat’n Steckrübenpudding gemacht, mit Himbeersaft. Die janze Stube hab ick ihr volljekotzt! Mir wird gleich kotzerig, wenn ick bloß Steckrüben rieche …«
    »Sie sind wohl in anderen Umständen, wat?«
    »Um Jotteswillen, sagen Se doch bitte det nich! Ick hab schon viere – nee, es is, weil mir die Steckrüben so widerstehen …«
    »Jeder red, wie er’s versteht. Ohne de Steckrüben wären wir alle längst verhungert.«
    Es wurde wieder still.
    Dann sagte eine Frau nachdenklich: »In der Landsberger Allee haben sie doch gestern früh wieder ’nem Bäcker seinen Laden ausgeräumt …«
    »Det kann nich stimmen, ich wohne doch in de Landsberger …«
    »Doch, det stimmt! Ick hab’s mit meine eigenen Augen jesehen!«
    »Wie is denn det jekommen?«
    »Na, wie det so kommt! Eine Frau sagt: ›Det sollen 950 Gramm Brot sind? Wiegen Se det doch mal, Meester!‹ Er will nich, aber plötzlich schreien se alle: ›Er wiecht falsch‹, und da muß er ran an den Speck!«
    »Na und? Erzählen Se doch weiter! Hat et jestimmt?«
    »Nee, dreißig Gramm haben jefehlt. Und er entschuldigt sich und schneid noch ’ne Schnitte ab, über hundert Gramm; ick hätt se schon jenommen, so is man ja ooch nich …«
    »Ach, Sie sind det selbst jewesen mit die dreißig Jramm?«
    »Icke? Wer sacht denn wat von mir? Jesehen hab ick et, sag ick …«
    »Erzählen Se man weiter, junge Frau. Det jeht keinen wat an, wer det war. Hier sitzen ja keene Spitzel, hier sitzen bloß arme Leute.«
    »Det meen ick ooch. Na, hören Se, wie er sich da so entschuldijen will un verhaspelt sich, weil er doch bullrich is, und det er unrecht hat, will er doch ooch nich zujeben, da alle über ihn her, mit Schimpfen, er wiecht falsch, und er is’nBetrüjer. Und in det Jedränge und Jeschrei ein paar jleich übern Ladentisch jelangt nach de Brote!«
    »Na, und nu? Erzählen Se doch bloß schnell, ick bin de Nächste, die rin muß zum Arzt …«
    »Na, der Dussel, der Bäckermeester, wie er det sieht – rin in de Hinterstube, wo er’s Telefon hängen

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