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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Militärmäntel, und jetzt ist dieser hier, den sie unter den Händen hat, zuviel … Wird ein Damenmantel …
    Sie näht immer zögernder, schließlich hört sie ganz auf und starrt auf den Mantel.
    Plötzlich begreift sie, an diesem Stück Näharbeit begreift sie, daß der Krieg endgültig aus ist, daß es vorbei ist mit dem, für das Otto kämpfte … Daß die Leute sagen, der Krieg ist verloren … Was das bedeutet – auch für sie! Gerade für sie!
    Sie schluckt heftig.

9

    »Gertrud!« mahnt Eva. »Es hat geklingelt. Hast du nicht gehört? – Oder soll ich aufmachen?«
    »Nein, laß, ich gehe schon.«
    Es klingelt wieder.
    »Gertrud! Gertrud!! Ach – einen Augenblick!« Namenlose Angst klingt in Evas Stimme. »Wenn es Eugen ist? – Bitte, bitte, laß mich in die Stube gehen, ich fasse die Kinder auch nicht an. Bestimmt nicht!«
    »Glaubst du«, sagt Gertrud, »ich lasse den Kerl in meine Wohnung?! Nie! Aber geh schon in die Stube. Nur bitte, wirklich – laß die Kinder …«
    Eine ganz andere, eine aufgelebte Gertrud Hackendahl läßt den Heinz mit seiner Freundin Irma in die Küche. Das ist die richtige Tutti, die nie vergißt, daß Heinz der einzige Hackendahl ist, der zu ihrer Hochzeit gratuliert hat, der völlig damit einverstanden ist, daß sie Otto nahm. Sie mag den Heinz so gerne, weil er sie oft besucht, nur um zu plaudern, weil er sich stundenlang mit den Kindern abgibt, weil er seine kleine Freundin zu ihr bringt.
    Sie sieht in dem Jungen trotz seiner Unfertigkeit, trotz seiner Großsprecherei etwas von ihrem verstorbenen Mann: das Uranständige, eine langsame, beharrliche Zuverlässigkeit.
    »Heinz! Irma! Daß ihr an solch einem Tage herfindet! Kommt rein!« Und leise: »Eva ist auch da.«
    »Eva?« fragt Heinz Hackendahl gedehnt.
    Er überlegt kurz, sieht nach Irma. Er hat Eva nicht wieder gesehen, seit sie die elterliche Wohnung verließ.
    »Na, ich weiß nicht … Sollen wir nicht lieber abhauen?«
    »Meinetwegen?« fragt Irma. »Sei bloß nicht blöd, Heinz!«
    »Komm ruhig rein, Heinz«, meint auch Gertrud. »Sie ist ganz – friedlich …«
    »Tag, Eva«, sagt Heinz dann ein wenig verlegen. »Lange nicht gesehen, wie? Alte Leute geworden, was? Und ihr macht hier unterdes ’ne Revolution? Ungeheuer!«
    Aber er wandte sich gleich wieder zu Tutti. »Ich muß dir was zeigen. Habe einen Groschen investiert, beginnendes Archiv der Revolutionsgeschichte!«
    Er zog eine Zeitung aus der Tasche, entfaltete sie, daß alle den Titel sehen konnten, und fragte stolz: »Fein, was?«
    »Die Rote Fahne – Organ des Spartakusbundes«, lasen sie.
    »Erste Nummer – frisch vom Faß!« grinste Heinz. »Pyramidal, wie?«
    »Rote Fahne«, sagte Tutti mit gerunzelter Stirn. »Ich fand immer, Schwarzweißrot war eine gute Fahne, Heinz.«
    »Natürlich! Wer redt denn davon? Du hast den Witz noch nicht kapiert, Tutti! Sieh doch genau hin, das ist doch der alte, liebe ›Skandal-Anzeiger‹. Die Brüder haben ihn auffliegen lassen und umgetauft … Wenn ich denke, daß Vater heute abend statt seines geliebten ›Lokal-Anzeigers‹ die ›Rote Fahne‹ durch den Türschlitz gesteckt bekommt …« Er grinste.
    »Und das soll ein Witz sein, Heinz?« fragte Tutti traurig. »Ich versteh dich nicht! Die nehmen dem Besitzer einfach die Zeitung weg, stehlen sagt man dazu …«
    »Es ist eben Revolution, Tutti …«
    »Dann geht mir mit eurer Revolution! Die eine erzählt, die Zuchthäusler werden entlassen, und du sagst, sie stehlen Zeitungen – und das ist Revolution? Das ist eine Gemeinheit, sage ich!«
    »Ich habe dir gleich gesagt: Kauf die nicht«, ließ sich Irma vernehmen. »Bei den Achselklappen waren auch rote Fahnen dabei, und dann, wie wir aus der Versammlung weggelaufen sind, weil wir dachten, sie schießen – da waren auch rote Fahnen dabei …«
    »Ihr scheint ja eine Menge erlebt zu haben …?!«
    »Ja, ich erzähle euch gleich … Aber erst sollt ihr noch was sehen …«
    Er konnte es doch nicht lassen: Trotz seines Mißerfolges mit der Zeitung zeigte er ihnen den Passierschein zum Reichstag, er berichtete, was sie noch vor und was sie hinter sich hatten.
    Tuttis Lippen preßten sich fest zusammen, als sie von den abgerissenen Achselklappen hörte.
    »Unteroffiziere waren es, sagst du, Unteroffiziere, Heinz …?«
    »Ja. Es war natürlich wieder Blödsinn, daß ich dir das erzählt habe, Tutti. Es regt dich bloß auf.«
    »Und dein Bruder hat es getan? Ja, hat er denn nicht daran gedacht, daß Otto

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