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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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…?«
    »Ich habe Erich nie leiden können«, sagte Eva. »Er war immer Vaters Liebling, aber …«
    »Nein, Vaters Liebling warst eigentlich du.«
    »Nein, Bubi. Vater war bloß in mich verliebt, Erich aber hat er richtig gern gemocht. Der hat immer alles erreicht mit seinem Lachen.«
    »Ein schlauer Hund ist er bestimmt«, gab Heinz zu.
    »Ein Fatzke ist er!« rief Irma. »Ein richtiger Weiberheld!«
    »Heinz!« bat Tutti. »Zeig mir doch noch mal den Passierschein.«
    Sie nahm ihn, sah ihn an. »Arbeiter-und Soldatenrat«, flüsterte sie. »Es sind ja noch gar keine Soldaten von der Front zurück!«
    Sie hob den Schein und sah Heinz an. »Heinz, wenn du auf mich hörst, steckst du den Schein mit der Zeitung in den Ofen!«
    »Wir sollen nicht in den Reichstag? Aber das ist doch hochinteressant, Tutti! Sieh mal, ich geh bestimmt nicht wegen Erich. Erich ist mir ganz egal. Aber ich weiß doch gar nichts von der Revolution. Man müßte das doch wissen. Was ist der Spartakusbund? Warum klaut mein holder Bruder Erich dem Liebknecht seine Hörer? Ich denke, der Liebknecht ist auch Sozialdemokrat? – Von dem allen müßte man doch was wissen!«
    »Aber warum mußt du denn noch mehr davon wissen, Heinz?« fragte Tutti aufgeregt. »Du weißt doch jetzt, daß die Revolution schlecht sein muß. Denk bloß an die Achselklappen!«
    »Ach, Tutti, das verstehst du nicht!« beharrte Heinz ein wenig hilflos. »Du sagst, die Revolution ist schlecht. Einfach aus dem Gefühl heraus …«
    »Und sagt das Gefühl denn nicht das Richtige?«
    »Ja, vielleicht. Ja, sicher. Aber das genügt doch nicht. Man hat doch auch seinen Kopf. Man muß doch auch
wissen
…«
    »Und du denkst, von Erich bekommst du was zu wissen?« fragte Eva böse. »So doof! Der will dich bloß rumschmusen, damit du Vater nichts erzählst!«
    Heinz schloß fest seinen Mund. Er wußte ja, Eva hatte nie den Erich ausstehen können; er mochte ihn ja eigentlich auch nicht … Aber so konnte man es auch nicht machen wie Eva, bloß Gehässigkeit, bloß weil es der Erich war, bloß darum alles schlecht finden.
    »Sieh mal, Tutti«, sagte er darum und achtete gar nicht auf Eva. »Entschuldige, daß ich noch mal davon anfange, wenn es dir auch weh tut, von den Achselklappen, meine ich. Sieh mal, du bist empört. Aber da waren doch viele hundert Menschen auf der Straße, und Kriegsverletzte waren auch dabei, du hast sie auch gesehen, Irma?«
    Irma nickte.
    »Und wenn da keiner die Hand aufgehoben hat, wenn sogar die alten Frontkämpfer meinen: Die Achselklappen müssen runter, dann muß doch noch irgend etwas anderes dahinterstecken als bloße Gemeinheit …? Ich meine, es muß doch irgendeinen Sinn haben?«
    »Gemein bleibt immer gemein«, sagte Tutti hart. »Ich versteh nicht, daß du da noch nach einem Sinn suchen willst, Heinz. Unrecht bleibt ewig Unrecht.«
    »Ich sage ja nicht«, fing Heinz wieder sehr hartnäckig an, »daß Unrecht Recht ist. Ich möchte nur verstehen, Tutti, warum …«
    »So etwas möchte ich nie verstehen«, sagte Tutti bitter. »Von so etwas will ich gar nichts wissen.«
    »Doch, Tutti, doch!« widersprach Heinz. »Du hast ja auch unrecht getan und hast gefunden, es war ganz recht …«
    Sie starrte ihn fassungslos an. »Ich hätte …?«
    »Du hast doch auch Butter und Eier genommen, wo du sie kriegtest, und hast gesagt: Es ist recht!«
    »Das ist ganz was anderes!« schrie sie fast. »Oh, wiekannst du so etwas sagen, Heinz! Soll ich meine Kinder verhungern lassen?«
    »Natürlich ist es ganz was anderes, Tutti«, sagte er sanft. »Ich will dich doch nicht kränken. Das Ähnliche ist nur, die anderen, die noch mehr hungern, und die Richter, die richten, finden es unrecht.«
    »Ein Pfund Butter (und es war nie mehr als ein halbes, was ich gekriegt habe!) und die Achselklappen zu vergleichen!«
    »Denk doch jetzt mal nicht an die Achselklappen. Die sind doch nur ein Symbol dafür, daß sie keine Vorgesetzten mehr haben wollen. Alle sollen gleich sein oder so etwas.« Er verwirrte sich, fand aber gleich den Faden wieder. »Denk doch einmal daran, wie es mit uns Hackendahlschen Kindern und Vater ist; mit Otto war es doch auch so, Tutti!«
    »Was ist mit Otto? Red du nicht von Otto, wenn du von den Achselklappen sprichst!«
    »Ich rede von Vater, von Vater und Otto! Hat Otto nicht auch Vater gehaßt, und hat er sich nicht schließlich aufgelehnt gegen ihn?! Was mag Vater dabei gedacht haben, Tutti? – Otto hat doch Vater auch die Achselklappen

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