Der eiserne Gustav
– und dazwischen meinen sie lautere Stimmen zu hören …
Plötzlich begreifen alle, daß dies nicht eine zufällige Arbeitslosenversammlung auf dem Platz vor der Bar ist, sondern daß dies eine Demonstration der Arbeitslosen gegen die Gäste dieser Bar ist. Sie verstehen die Schreie draußen … »Schieber raus!« schreien die.
Plötzlich fliegt die Tür zur Straße auf. Glas splittert.
»Kein Gast ist im Lokal – mein Ehrenwort!« schreit die Stimme des Geschäftsführers.
Und das Licht flammt auf. (Natürlich ist einer der Kellner im Bunde mit den Demonstranten; man kann noch so hohe Trinkgelder geben, immer wird man verraten!) Drei, vier Feldgraue stehen im Eingang, sehen in die erschrockenen Gesichter …
»Kommt alle mal raus«, sagt einer der Feldgrauen, böse grinsend. »Wir wollen euch zu gerne gute Nacht sagen …«
Starr saßen die Gäste, ein Herr rief laut: »Es ist doch unerhört!« – und brach ab, als ihn der Blick des Feldgrauen traf.
»Nun, wird’s bald?!« rief der, schon drohender. »Oder soll ich ein bißchen nachhelfen, was?!« Und er faßte nach dem Koppel, an dem Handgranaten hingen.
Ein Herr stand auf. »Ich stelle fest, daß ich Frontkämpfer bin«, sagte er. »Ich habe das E. K. Ich verlange, daß Sie das den Leuten draußen sagen!«
»Erzähl’s ihnen selber, mein Junge!« Der Feldgraue gab dem Herrn einen Stoß, daß er zur Tür taumelte. Ein zweiter Feldgrauer half ihm mit einem neuen Stoß auf die Straße. Man hörte ein dumpfes Aufbrausen, dann Schreie, dann einen Schrei …
»Ich gehe nicht raus!« rief einer. »Ich lasse mich nicht totprügeln! Es muß hier einen Hinterausgang geben!«
»Los mit dir!«
Der Feldgraue griff zu. Der Herr schlug zurück. Es gab einen kurzen Tumult, dann flog auch dieser hinaus, und wieder wurde das lautere Brausen hörbar.
»Mann, seien Sie vernünftig«, bat einer. »Ich zahle Ihnen hundert Mark, wenn Sie uns auf das Klo lassen. Oder auf den Hof …«
»Ich dreihundert!«
»Tausend!«
»Biete fünfhundert, Bubi! Ich habe Geld bei mir!« flüsterte Tinette. »Biete auch tausend …«
»Tausend …«
»Ach nee, da könnten wir ja reiche Leute werden! Aberich will kein Geld von Schiebern … Unsere Kinder verhungern, und ihr Schweinezeug sauft Sekt …!«
»Los, los!« riefen die Feldgrauen. Sie hatten sich vermehrt, von draußen waren noch andere gekommen, auch Zivilisten: böse Gesichter, bleiche Faltengesichter, rohe Gesichter … Sie rissen den Gästen die Stühle fort schoben sie zum Eingang …
»Rollt das Lokal von hinten auf! Achtet auf die Türen! Laßt keinen aufs Klo! Laßt euch nicht von den Weibern rumkriegen!«
»Meine Sachen! Mein Pelzmantel!« schrie eine Frau, sich wild wehrend.
»Hol sie dir morgen, Schatz! Ich glaub nicht, daß dein Pelzmantel heil bleibt!«
Ein Herr stieg auf einen Stuhl.
»Es ist Wahnsinn, uns so einzeln herausstoßen zu lassen. Jeder kriegt das Zehnfache ab. Ich schlage vor, wir gehen alle dicht hintereinander, immer ein Herr, dann hinter ihm eine Dame. Los … Ich gehe voran. Komm, Ella, halte dich direkt hinter mir – und dann so schnell wie möglich durch! Oskar, du hinter Ella!«
»Du bist an der Front gewesen, Kamerad, warte mal!« sagte der Feldgraue. »Was saufst du hier bei den Schiebern Sekt …? Warte mal …!«
»Haben wir nicht auch im Schützengraben gesoffen?!« rief der Herr böse. »Gehst du nicht auch manchmal in eine Destille und kippst einen …? Dies hier ist meine Destille!«
»Warte doch – ich lasse dich über den Hof, Kamerad!«
»Danke! Ich will, was die anderen bekommen! Alle hintereinander! Los, Ella!«
Er lief hinaus, andere ihm nach. Durch die offene Tür klang lauter das Brüllen der ungeduldigen Menge …
»Los, Tinette, wir dürfen nicht die letzten sein!«
Sie war sehr bleich, aber nicht vor Angst …
»Hol meinen Mantel!« befahl sie. »Mach keine Geschichten! Ich gehe nicht halbnackt auf die Straße!«
Sie traten aus der Tür.
»Wieder ein Kerl mit einer Nutte!« grölte einer.
Der kaum erleuchtete Platz brüllte mit tausend Mündern, schrie, drohte, lachte, spottete, schlug … Dicht gedrängt stand die Masse, dunkle Gesichter, sehr viele Frauen …
»Nur schnell, Tinette! Halte dich direkt hinter mir! Laß um Gottes willen nicht den Riegel von meinem Jackett los!«
Gerade stürzte mit hochgehobenen Armen ein Herr durch die schmale Gasse, die durch die Menge führte. Heinz eilte ihm nach. Wie der andere schützte er mit einem Arm das
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