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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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herauszubekommen, was es eigentlich für eine Bewandtnis mit dem Schuß auf Eugen Bast hatte.
    Er mußte vorsichtig fragen, er durfte nicht zur Polizei gehen – er wußte ja nicht, wie weit Eva außer jenem Warenhausdiebstahlan den Straftaten Eugen Basts beteiligt war; die ganze Wahrheit würde sie nie sagen.
    Es hatte ganz interessant geschienen, so als Privatdetektiv aus dem Kriminalroman in Berlin herumzulaufen und einem vielleicht großen Verbrecher nachzuspüren: Erpressung, Plünderung, Raub, leichter Diebstahl, schwerer Diebstahl, Bandendiebstahl, Zuhälterei, vielleicht Mord. Es genügte, es reichte aus – danke schön!
    Aber es war gar nicht interessant, immer wieder nachts durch die Straßen zu bummeln, jedes Mädchen anzusprechen und sich von jedem Mädchen ansprechen zu lassen und dann nach einigem Gequatsche die Frage auf einen gewissen Euschehn zu bringen, »den dunklen Euschehn«, wie er genannt worden war. Es schien eine ganze Masse dunkler Eugens gleicher Fakultät in Berlin zu geben.
    Während er so lebte, immer in der Hetze, immer blasser, immer magerer, ging die Welt weiter. Jetzt begannen sie, die Handelsflotte auszuliefern, große Protestversammlungen gegen den Gewaltfrieden wurden abgehalten. Die Nationalversammlung sprach sich auch gegen einen Gewaltfrieden aus, allerdings gemäßigter. Im Ruhrrevier war Aufruhr, und in Württemberg Generalstreik. Der erste Reichserwerbslosenkongreß trat zu Berlin zusammen, und der erste Reichshaushaltplan wurde vorgelegt, auf vierzehn Milliarden lautend, von denen nur sieben fehlten. In München wurde eine Räterepublik errichtet, in Dresden der Kriegsminister von Kriegsbeschädigten erschossen. Aber der erste Mai wurde Arbeiterfeiertag, gestreng nach dem sozialdemokratischen Parteiprogramm, und die Osterbotschaft wurde verkündet: »Laßt ab von der Selbstzerfleischung! Arbeitet!!«
    Darauf kam es in Braunschweig zum Generalstreik, überhaupt wurde überall ein bißchen gestreikt …
    Während all dieser Ereignisse – es ereignete sich aber in diesen Tagen so viel Schreckliches, daß kein Mensch etwas Schreckliches noch als schrecklich empfand –, während alledem baute er halb im Schlaf an seinem Maturum und bestandes, gerade nur so, keineswegs als erstklassiger Schüler, wie es Professor Degener erwartet hatte. Aber er hatte eine kleine Aussprache mit seinem geliebten Lehrer gehabt, er hatte ihm berichtet. Der Professor hatte mit dem Kopf geschüttelt und hatte gemurmelt: »So etwas hatte ich ja mit Ordnungmachen eigentlich nicht gemeint … « Aber er hatte ihn schließlich doch durchrutschen lassen.
    »Was fängst du nun an?« hatten die Mitschüler gefragt.
    »Was willst du bloß werden?« jammerte die Mutter.
    Der Vater fragte nicht mit Worten, aber der Blick auf den Sohn war manchmal recht deutlich.
    Doch Heinz Hackendahl hatte gerade jetzt nicht die geringste Zeit, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Erst mußte Eugen Bast gefunden werden. Dieser Alpdruck, dieses Schreckgespenst, dieser auferstandene Tote mußte gefunden werden.
    Und er wurde auch gefunden. Kurz nach dem Abitur bekam Heinz den Eugen Bast von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und dieses Auffinden war nicht einmal schwierig gewesen, es waren dafür keinerlei kriminalistische Fähigkeiten benötigt worden. Sondern an einem Tage, als Heinz im Zimmer der Schwester saß, hatte die Wirtin einen Bengel in dies Zimmer gebracht. »Is denn die Eva nich da? Der Bengel sagt, er hat was für sie …«
    »Eva muß drüben bei der Olga sein. Sie ist eben raus«, sagte Heinz und sah den Bengel an, noch ohne jeglichen Verdacht.
    Der Knabe, etwa dreizehnjährig, mit scheuem und doch bösem Blick, sah zu Heinz hinüber. Plötzlich fing er an zu grinsen und fragte: »Du bist wohl ihr Neuer?«
    »Ja …«, sagte Heinz. Er streckte die Hand aus und sagte: »Zeig mal, was du hast!«
    Der Junge grinste wieder. Er schüttelte den Kopf, fragte aber: »Kostet?«
    Es war schlecht um Heinz’ Kasse bestellt, auf seinen Irrfahrten durch Berlin, Eugen Bast suchend, hatten sich schonfast alle schönen Anzüge Erichs in Fahr-und Trinkgelder verwandelt. So bot er nur eine Mark.
    Kopfschütteln.
    »Zwei Mark.«
    Nichts.
    »Drei.«
    »Her den Taler!« sagte der Junge und brachte aus der Hosentasche ein Stück Papier.
    Heinz gab das Geld. Er las den Zettel, den der Junge nicht aus der Hand ließ.
    »Hundert Eier«, stand da, »oder Aschenbecher!«
    Sonst nichts.
    Er wußte von Eva, was »Aschenbecher«

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