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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Blind!«ging es neben ihm, immer weiter …
    Was soll ich nur tun?! dachte Heinz Hackendahl verzweifelt. Wenn ich auch den Schutzmann dort hole … Jawohl, ich habe gedacht, es würde Eva nichts schaden, wenn sie ein oder zwei Jahre ins Gefängnis kommt … Aber sobald sie dies Gesicht in der Verhandlung sieht, ist sie ja sofort wieder unter seinem Einfluß, nimmt sie sofort alles auf sich, um nur ihn reinzuwaschen … Eva hat recht, Flucht ist das einzige … Aber dann trinkt sie sich tot! Ob Sophie Geld gibt? Bestimmt hatte Sophie Geld!
    »Blind! – Blind!« Und die schon wieder gefüllte Hand fährt in die Tasche, kehrt zurück vor die Brust. »Blind! – Blind!«
    Ach, einmal hatte sich Heinz Hackendahl das Leben recht einfach gedacht. Aber entweder hatte sich das Leben gegen früher sehr viel schwieriger und gefahrvoller gestaltet, oder er taugte nichts. Mit Erich gescheitert, ein Abitur mit Ach und Krach, und nun schon wieder für Eva nichts ausgerichtet …
    »Blind … Blind …«
    Er sieht den Mann noch einmal von der Seite an. Er möchte so gerne einfach weglaufen, ausreißen, er hat sich zuviel vorgenommen! Und doch hält ihn etwas. Er kann so nicht gehen. Man verliert alle Selbstachtung, alles Vertrauen in die eigene Kraft, wenn man so fortläuft. Heinz Hackendahl hat das Gefühl, daß er im Leben nie etwas erreichen wird, wenn er jetzt unverrichtetersache fortläuft. Er muß etwas tun …
    Während er noch grübelt, sich quält, sich anspornt, bricht plötzlich neben ihm das »Blind« ab. Er starrt zur Seite, es ist, als sei plötzlich eine Uhr stehengeblieben, man muß sie aufziehen! Was ist geschehen …? Geht Eugen Bast immer fort, vormittags zwischen elf und zwölf, wenn der Hauptverkehr gerade einsetzt? Denn Eugen Bast geht. Er hat seine Hand um den Oberarm des Jungen gelegt, und ohne daß Heinz eine Verständigung zwischen den beiden bemerkt hat, führt der Junge den Blinden fort. Führt ihn die Friedrichstraße hinunter, gegen die Leipziger Straße zu … Heinz folgt den beiden. Sie gehen nahe vor ihm, aber sie achten nicht auf ihn, nicht einmal dreht sich der Junge nach ihm um. Und siesprechen nicht miteinander, auch das beobachtet Heinz, sicher gehen sie um diese Zeit immer fort. Es scheint das Alltägliche zu sein …
    Plötzlich fällt Heinz ein, daß er Eva Nachricht geben muß und daß er ihr endlich Nachricht geben kann. Er dreht um, er denkt nicht mehr an die beiden. Wenn er Eugen Bast wirklich noch einmal braucht, kann er ihn immer finden, hier an der Straße, als Bettler. Aber er wird ihn nicht mehr brauchen …
    Denn er kann Eva sagen, daß Eugen Bast kein gespensternder Toter ist, vor dem sie sich fürchten muß, sondern ein Bettler, den sie blindgeschossen hat. Er wird ihr nicht erzählen, wie schrecklich er aussieht, aber er wird ihr begreiflich machen, wie hilflos Bast durch seine Blindheit ist, daß sie ihm leicht ausweichen kann.
    Er wird ihr noch einmal helfen, umzuziehen, mit ein wenig größerer Vorsicht. Dann kann sie ruhig vor seinen Drohungen leben; es ist lächerlich, sich von einem Blinden erpressen zu lassen. Aschenbecher – wahrhaftig! Und wäre er mit ihr in demselben Zimmer, kann sie über solche Drohung lachen! Sie muß ja nur aus der Tür gehen – der Blinde kann ihr nicht einmal folgen!
    Plötzlich ist Heinz Hackendahl ganz siegesgewiß. Seine Aufgabe scheint gelöst! Er denkt nicht darüber nach, wie bereitwillig er die Spur von Eugen Bast aufgegeben hat! Nachdem ihm wochenlang zu wissen wichtig schien, wo der Mann wohnt. Er ist heraus aus der Atmosphäre dieses Menschen … Eben noch, als er neben ihm stand, schien ihm alles hoffnungslos, unlösbar – aber jetzt, ferne von ihm, ist alles in bester Ordnung, die Aufgabe ist gelöst!
    Er schlendert die Friedrichstraße wieder hinauf. Aber als er die Linden überqueren will, fällt ihm ein, daß jetzt eine schlechte Stunde ist, zu Eva zu gehen. Um diese Zeit machen sich die spät aufstehenden Mädchen zurecht, sie hocken beieinander in ihren Zimmern – besser, er wartet noch ein bißchen. Dann kann er sie in Ruhe sprechen …
    Er biegt also in die Linden ein, geht durch das BrandenburgerTor und kommt in den Tiergarten. Es ist April – und so verwüstet der Tiergarten auch aussieht, ein bißchen frisches Grün ist doch da. Aller Rasen ist nicht in den Schlamm getreten; und wenn die Beete auch leer sind, in einem Winkel, halb versteckt unter einem Gebüsch, findet Heinz sogar ein paar Krokusblüten.
    Er hockt sich

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