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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Treppe hinaufzusteigen. Sie steigt ihm nach, ein Gefühl endloser Öde in sich.
    Aber was habe ich mir denn eigentlich gedacht, überlegt sie. Habe ich denn geglaubt, es könnte ewig so weitergehen, mit Nachtarbeit und umschichtigem Bett, ein Leben lang,ein ganzes, langes Leben lang? Das ist ja alles Schwindel – natürlich habe ich es absichtlich getan, soll sie doch ihre Pfote schneller wegziehen, die dowe Pute, die! Wahrscheinlich habe ich mir eingebildet, sie schmeißen mich raus – und dann kommt, was doch kommen muß. Wer für den Dreck bestimmt ist, der fällt schließlich immer hin …
    Nun ist der Bruder, der Urlauber Otto Hackendahl an seiner Tür angelangt. Als er auf den Klingelknopf drückt, geht Eva hinter ihm vorbei. Sie geht einfach noch eine Treppe höher. Neben dem Bruder stellt sie sich nicht an die Tür, sie schließt ihm auch nicht auf, obwohl sie den Schlüssel in der Tasche hat. Einmal dachte sie, hier sei sie zu Haus, aber das war natürlich auch Schwindel. Es ist allein sein Heim, sie ist nirgends zu Haus – so ist es!
    Sie setzt sich oben hin, auf die Treppe für die Heimatlosen! Sie wird ja sehen, was wird. Sie kann es abwarten. Wenn man absichtlich mit seiner Maschine eine Hand verletzt, kann man noch immer faule Ausreden gebrauchen. Wenn dann aber der Himmel den Bruder gerade an diesem Morgen heimschickt und vertreibt einen aus Bett und Schlaf, dem einzig seligmachenden Vergessen, so heißt das, daß der Dreck zum Dreck gehört!
    Wenn dem aber so ist – und dem ist so –, so stellt man sich nicht an. Man setzt sich ruhig auf die letzte Stufe vor der Bodentür und wartet das Weitere ab. Der Dreck wird seinen Dreck schon finden! Er hat es gar nicht eilig!

11

    Otto hatte der Arbeiterin in Hosen erstaunt nachgeblickt: Was will denn die da oben? Da oben sind doch nur Böden! Aber gleich vergißt er es, denn auf sein Klingeln ruft durch die Tür eine Stimme: »Mutti is nich da!«
    »Wo ist Mutti denn? Gustäving!« fragt der Vater, lehnt das Ohr gegen die Tür und versucht sich vorzustellen, daß diessein Sohn ist, der aber jetzt nicht mehr zwei, sondern vier Jahre alt ist.
    »Preßkohlen holen«, sagt die Piepsstimme von innen. »Wer biste denn? Was willste denn?«
    »Euch besuchen, Gustäving.«
    »Wer biste denn? Wieso weißte denn meinen Namen? Wie heißte denn?«
    Der Vater überlegt einen Augenblick. Er möchte gerne sagen, daß er der Vater ist, aber er darf noch nicht. Es ist eine Tür zwischen ihnen – er kann nicht zu dem Kind. Er muß warten.
    »Wo holt denn Mutti die Kohlen, Gustäving?« fragt er. »Noch bei Tiedemann?«
    »Bei Tiedemann?« fragt es von innen. Und plötzlich ist in dem kleinen Hirn wohl ein großes Licht aufgegangen, plötzlich trommeln Hände von innen gegen die Tür. Die Kinderstimme schreit: »Mach auf, mach auf! Ich weiß, du bist mein Papa! Mach doch auf, Mutti hat gesagt, du kommst immer ganz bald mal! Mach doch auf! Ich will zu dir, Papa!«
    »Ja, Gustäving – sei einmal ruhig. Ja, ich bin dein Papa. Hör doch, Gustäving, ich habe keinen Schlüssel, wir müssen warten, bis die Mutti kommt. Ja, hör doch, du erkennst mich gar nicht wieder, Gustäving …«
    »Doch, du bist mein Papa!«
    »Ich habe einen riesenlangen gelben Bart …«
    »Quatsch, mein Papa hat keinen langen Bart!«
    »Der ist mir im Feld gewachsen, Gustäving!«
    »Mach auf, Papa! Ich will deinen Bart sehen!«
    »Ich habe doch keinen Schlüssel, Gustäving. Wir müssen warten, bis die Mutti kommt.«
    Ein kurzes Überlegen.
    Die oben auf der Treppenstufe, die Eva Hackendahl, überlegt auch. Ja, denkt sie böse, so was ist Heimat und Heimkommen. Aber so etwas gibt’s für mich nicht. Wieso eigentlich nicht? Ich bin viel hübscher und mindestens ebenso klug wie Tutti! Und keiner war feiger und schlaffer als Otto. Aberdie haben es, und ich habe gar nichts. Erich hat es auch schon zu was gebracht, und Sophie ist Oberschwester geworden und hat die Rote-Kreuz-Medaille bekommen. Nur ich …
    Unten geht es immer weiter: »Weißte was, Papa? Geh runter auf den Hof. Stell dich auf den Hof, und ich seh runter aus dem Fenster! Dann seh ich, ob du mein Papa bist.«
    »Du wirst aus dem Fenster fallen, Gustäving!«
    »Was werd ich? Mach man los, Papa!«
    »Warte den Augenblick, Gustäving. Mutti muß gleich kommen.«
    »Ach, mach doch, Papa! Los!«
    »Du erkennst mich ja nicht mit dem Bart.«
    »Klar, erkenne ich dich! Ich werd meinen Papa nicht erkennen!«
    »Und du versprichst, daß du das

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