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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Fenster nicht aufmachst?«
    »Sache, Papa! Versprech ich! Ich kuck durch die Scheibe. Mach man los!«
    »Es dauert aber eine Weile, bis ich unten bin.«
    »Weiß ich doch, Mensch! Fünf Treppen! Biste immer so langweilig, Papa?«
    »Ich gehe ja schon, Gustäving.«
    »Na, denn man los!«
    Otto Hackendahl steigt mit Affen, Packen und Päckchen wieder die Treppen hinunter. Aber was bedeutet ihm die Last? Er läuft, läuft wie ein Junge, kommt auf den Hof.
    Der Hof ist eng, bloß so ein Luftschacht, und oben hängen auch noch kreuz und quer die Wäscheleinen. Otto Hackendahl drängt sich zwischen die Mülltonnen, und als ihm auch jetzt die Sicht noch nicht klar genug scheint, klettert er auf die Tonnen. Er reißt die Feldmütze runter, er schwenkt sie. Nichts, gar nichts sieht er, aber er brüllt hinauf: »Hurra!« brüllt er. »Hurra! Hurra!«
    Ein paar Frauen sehen aus ihren Fenstern.
    »Bei dem piept’s wohl?«
    »In Rixdorf is Musike …«
    »Der macht den Dalldorfer, det er nich wieder raus muß …«
    Aber Otto Hackendahl ist schon wieder von seinen Mülltonnen runtergestiegen. Er läuft die Treppen hinauf, und als er oben ankommt, sieht er, daß ein Wunder geschehen ist: Die Tür steht offen, und in der Tür steht ein Junge, ein sehr dünner Junge mit einem sehr großen Kopf …
    »Gustäving! Siehste, ich bin dein Papa! Wer hat denn die Tür aufgemacht? Ach, Gustäving, freust du dich auch so?«
    »Ich hab doch gleich gesagt, daß du mein Papa bist! Dein Bart ist auch gar nicht so lang. Haste was zu essen mitgebracht, Papa? Ich hab mächtig Kohldampf.«
    Die nach so schwerem Kampf aufgeschlossene Tür klappt hinter den beiden wieder zu. Sie zerbrechen sich nicht weiter den Kopf über das Wunder. Das Mädchen oben sitzt noch eine Weile, ihre Schultern zucken, ihr ist wie damals, nicht lange her, als sie auf der kleinen feuchten Plattform stand.
    Schließlich steht sie auf, sie geht langsam die Treppen hinunter. Unten trifft sie ihre Schwägerin, Gertrud Gudde. Das kleine, bucklige Geschöpf steht keuchend neben einem Kohlensack, bloß fünfzig Pfund, aber viel zu schwer für solch gebrechliches Wesen. Das Haar hängt ihr strähnig ins Gesicht, und die sanften Augen haben einen angstvollen Ausdruck.
    Aber sofort leuchten sie auf, als sie Eva sieht – ein Aufleuchten, sanfter Schimmer, Zärtlichkeit. »Ach, Eva«, sagt sie. »Wie gut du bist. Hast du schon gewartet? Ich hatte solche Angst vor den fünf Treppen!«
    Eva hat eigentlich ohne ein Wort an Tutti vorübergehen wollen. Was geht die Tutti mich an? Ich habe meine eigene Last zu tragen!
    Aber nun bleibt sie doch stehen. Willig läßt sie sich den Sack auf den Rücken helfen, sie trägt ihn die Treppe empor. Dabei denkt sie daran, daß sie an anderen Tagen, ohne die Sache mit Hebel und Heimkehr des Bruders, schon längst behaglich schlafend im Bett gelegen hätte. Sie hat nie daran gedacht, der Schwägerin bei ihren Obliegenheiten zu helfen.Wie oft hätte sie dieses zärtliche, dankbare Leuchten sehen können – aber sie hat nie etwas dafür getan.
    Sie sind an der Tür angelangt, Gertrud hat schon den Schlüssel bereit. Sie will schnell aufschließen, damit Eva nicht erst den Sack absetzen muß. Aber Eva versperrt ihr den Weg zum Schlüsselloch.
    »So, Tutti«, sagt Eva mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Hier hast du deine Kohlen! Mach dich doch ein bißchen zurecht, du siehst ganz zottelig aus …«
    Gertrud sieht Eva verständnislos an – Eva ist so sonderbar! Sich hier vor der Wohnungstür zurechtmachen? Wer hat seit Jahren daran gedacht, wie sie aussieht? Sie wird ganz verwirrt unter Evas Blick, sie greift nach ihrem Haar, faßt ein paar Strähnen …
    Aber plötzlich hört sie etwas. Sie steht da und lauscht, sie erzittert. Sie hat ihr Kind lachen hören drinnen in der Wohnung, und nun spricht eine Männerstimme …
    Nun spricht die Stimme eines Mannes drinnen in ihrer Wohnung …
    Sie starrt Eva an.
    »Ja«, sagt Eva mit veränderter Stimme. »Ja doch! Mach dich schnell ein bißchen zurecht, dein Mann ist gekommen …«
    Und sie beugt sich über den Kohlensack, sie denkt: Ach, du alter, häßlicher Buckel hast alles Glück bekommen – und ich? Hassen müßte ich dich!
    Und beugt sich über den Kohlensack weg zur Gertrud. Sie streicht ihr das Haar zurecht, und ihre Hände zittern, sie rückt an Kragen und Ausschnitt, und ihre Hände zittern, sie sagt: »Ja, Tutti … Ja … Ja … Otto ist da … und ganz gesund …«
    Zwei Arme legen sich um

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