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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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reichte er dem Sohn die Hand über den Tisch weg.
    »Bist du det, Otto? Det is recht. Setz dich, Otto, setz dich. Haste mir zufällig jefunden?«
    »Ich sah den Schimmel, Vater. Ich schaute hier nur mal rein.«
    »Ja, der Schimmel, der Schimmel, Otto! Er wird immer wenjer, kein Futter un keine Kurage mehr. Ich krieg ihn an keinem Roßschlächter vorbei – immer will er rin in den Laden.«
    Der alte Mann lachte, aber es klang trübe.
    »Und sonst, Vater? Was macht der Stall sonst?«
    »Der Stall? Ick hab keenen Stall mehr. Einen Braunen ha’ick noch, aber det Aas is ooch pflastermüde. Viel is nich mehr mit’m Jeschäft, Otto.«
    »Fährst du allein, Vater? Hast du den alten Rabause nicht mehr?«
    »Zu was denn, Otto? Für die zwei Schinder? Wenn jetzt der Krieg aus war, ick hätt ooch keene Arbeit für dich, Otto. Sei du man froh, det du deinen Krieg hast!«
    Wieder lachte er, und wieder trübe.
    Otto saß dabei, er saß neben dem geschlagenen Mann. Der blaue Kutschermantel hing weit über die ehemals gedrungene Gestalt. Das einst feste Gesicht war locker geworden. Otto mußte daran denken, wie sein Vater früher als geachteter Gast in den Kneipen am Alexanderplatz gesessen hatte. Hier sah keiner nach ihm, keiner hörte mehr auf sein Wort. Er war bloß ein alter Droschkenkutscher, der über seinem Bier döste. Ein geschlagener Mann. Ich will ihn noch härter schlagen, dachte Otto.
    »Du bist umgezogen, Vater?« fragte er schließlich.
    »Ja, umjezogen! – Wie jefällt dir det Haus?«
    »Ich war noch nicht da, Vater.«
    »Ach nee? Warste grade auf ’m Weg? Wo haste denn dein Zeuch?«
    »Das habe ich nicht mit. Ich wohne diesmal woanders, Vater.«
    »So, woanders wohnste? Na ja, schön.«
    Der alte Hackendahl schoß einen scharfen, wachen Blick auf den Sohn, er döste nicht mehr. Hellwach war er. Und sehr mißtrauisch.
    »Das Haus, weißt du«, sagte er unvermittelt, und plötzlich hochdeutsch, »das habe ich getauscht gegen den Hof. Mit zwei Pferden brauch ich keinen Hof. Und nun habe ich ein fünfstöckiges Mietshaus, die Pferde stehen in einer Werkstatt. Fünf Stufen hoch, aber das macht ihnen nichts.«
    »Vater, also hör mal zu. Ich wollte es dir schon lange sagen, schon vor dem Krieg …«
    »Hat Zeit, vielleicht wart’ste noch, bis der Krieg alle is … Ick sage, det Haus hier in de Wexstraße …«
    »Ich wohne also bei der Gertrud Gudde, Vater. Du weißt, früher hat sie bei uns geschneidert …«
    »Gudde? Kenn ick nich!« Der Alte tat so, als hätte erfalsch verstanden. »Bei mir wohnen jetzt so ville Leute. So’n Mietshaus, hab ick jedacht, is ’ne feine Sache. Bringt immer Jeld – wenn die Leute bloß zahlten. Ein bißken ville Hypotheken …«
    »Vater! Ick kenn die Gertrud Gudde schon lange. Wir haben auch einen Jungen, jetzt ist er schon vier Jahre, Gustav haben wir ihn nach dir genannt. Und wir haben gedacht, wir wollen jetzt heiraten …«
    »Die Gudde? Is det nich der kleine Buckel, der bei uns immer jeschneidert hat? Immer los uff de Nähmaschine! Ick ha jedacht, det jeht nich lange jut. Det is ja bloß ’ne Handvoll Unjlick, un denn immerzu die Treterei …«
    Der Alte sah den Sohn aus böse glänzenden Augen an.
    »Der Junge ist ganz gesund«, sagte Otto entschlossen. »Vater, es hilft nichts, wenn du so redest. So lange bin ich zu feige gewesen, mit dir davon zu reden, jetzt ist es anders …«
    »Die Gudde«, sagte der Alte und hatte wieder nichts gehört. »Jetzt besinn ick mir. Mutter hat sich mal verquatscht. Die Eva, deine Schwester, die Nutte jeworden is, die wohnt ooch bei de Gudde. Det scheint ein feinet Absteigequartier zu sind, der Junge is viere, sagste, un unjetraut kann man ooch schlafen jehn …«
    Otto war schneeweiß geworden. Aber nicht umsonst war er im Felde gewesen. Er riß sich zusammen.
    »Vater, was soll denn das?!« sagte er unwillig. »Du tust dir ja am allermeisten weh …«
    »Und wat jeht dir det an, wie weh ick mir tue?« fragte der Alte zornig. »Heirate du die Gudde mit ihrem Blag. Nach mir jenannt, wat det nu soll! Als ob ick uff so’nen Schmus rinfalle! Hast du jefragt, ob du mir weh tust? Die Eva Nutte, die Sophie alle Ersten ’nen Brief, so und so, mir jeht et noch jut. Der Oberstabsarzt hat jesagt, ick bin tüchtig. Der Herr Militärpfarrer hat jesagt, ick bin noch tüchtiger. Und so weiter, alles von sich, aber nie nich ’ne Frage, wie et Muttern jeht. Der Erich, der schreibt bloß, wenn er Jeld braucht. Und der Otto kommt nach zwei Jahre uff

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