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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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gekämpft und ihr Blut vergossen. Deshalb wurde ein großer Rummel um sie gemacht, und Lieder über Ehre, Treue, Vaterstadt waren in aller Munde. Die wenigen Teshi in New Crobuzon wurden erschlagen oder tauchten unter. Jeder mit einem ausländischen Akzent riskierte Prügel.
    Kriminelle wurden immer häufiger zum Kriegsdienst gepresst, statt zu einem Remaking verurteilt und ins Gefängnis gesteckt. Viele der Krüppel, die bettelnd an Straßenecken saßen und schrill greinend von der Seelenkanone der Teshi und den Efrit-Winden erzählten, waren eigens für den Krieg rekrutiert worden. Sie waren keine echten Milizzer. Sie waren verstörende, schlurfende Mahnungen.
    Die ersten Veteranen wurden mit klingendem Spiel und tönenden Reden empfangen, die nächsten immerhin leutselig, dann en passant, dann nicht mehr zur Kenntnis genommen, verdrängt. Milizzer, ihre ehemaligen Kameraden, vertrieben sie aus den Parks und von den Plätzen der besseren Stadtviertel. Ori war Zeuge gewesen, wie sie von dem einer Blüte nachempfundenen Churchyard Square einen Mann wegschleppten, durch dessen Haut sich von innen dentale Zacken bohrten und der mit überschnappender Stimme etwas von einer Zahnbombe faselte.
    Die Bürger New Crobuzons spendeten an wohltätige Organisationen, die sich um thaumaturgisch Versehrte kümmerten. Nach wie vor gab es Ansprachen und Paraden zum Zwecke der Kriegspropaganda, Freiheitsmärsche nannte man die Aktionen mit Blasmusik und militärischen Motivwagen. Leider mussten die exotisch Blessierten bald feststellen, wie hohl die großen Worte waren.
    Und diejenigen, deren Wunden von regulären Waffen verursacht waren oder seelischer Natur, ohne magische Verbrämung? Narbig, eher der einen oder anderen Gliedmaße verlustig gegangen als mit einer Überzahl derselben geschlagen, blind, mit einem Pappschild VETERAN DES TESH-KRIEGS, GESCHUNDEN FÜR N. CROBUZON. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren viele davon ganz gewöhnliche Versehrte, die ihre alten Schwären mit falschem Heldenglanz übertünchten, und sie dienten als Ventil für das Ressentiment und die Ängste, die sich im Zusammenhang mit dem Krieg in den Crobuzonern angestaut hatten.
    Nur eine Stimme brauchte sich anklagend zu erheben – du bist schon so aus deiner Mutter gekrochen, dreckiger Lügner –, und im Nu sammelte sich ein Mob, um den Opportunisten Mores zu lehren. Natürlich taten sie es für New Crobuzon – du Bastard willst dich mit unseren Jungs vergleichen, die auf dem Schlachtfeld kämpfen und sterben? Die empörten Murksider kreisten den untersetzten, armlosen Mann ein, den sie Betrüger schimpften und beschuldigten, er wäre nie auf einem Schiff gewesen. Er schrie seinen Rang, seine Kennnummer, seine Einheit entgegen – als Antwort flogen Steine. Ori ging seiner Wege.
    Andere Opfer erhoben erst gar keinen Protest. Remade, Sklavenmiliz für den Krieg produziert, Überlebende ihrer Einsätze. Ihre integrierten Waffen wurden demontiert, bevor man sie auf die Straßen New Crobuzons entließ. Wenn sie einzuwenden versuchten, dass diese Remakings für sich allein gesehen – unter Außerachtlassung der Fleischwunden, verlorenen Augen und fahrlässig geschienten Knochen – eine Kriegsverletzung darstellten, wurden sie ausgelacht, im besten Fall. Ori ging weiter.
    Der Sommer war kühl, das Laub der Bäume saftig grün; Ori ging weiter, bis er die Schreie der aufgebrachten Menge nicht mehr hören konnte, und auch nicht die des Mannes, auf den sie eindroschen, weil irgendeiner behauptet hatte, er sei ein Schwindler. Ein frisches Lüftchen begleitete ihn unter die Arkaden der Dark Water Station. Straßen wie Aderngeflecht, Häuser aus Schwarzholz und weißem Mörtel neben solchen aus Backstein, und da drüben das schorfige Gerippe einer Brandruine. Die Mauern von Pincod saugten Wasser aus der Luft und schwitzten es wieder aus, dabei blähte sich der Putz wie Eiterbeulen. Dunst umwaberte sie opalisierend.
    Nach Norden, wo die Straßen breiter wurden. Die Piazza della Settimana di Polvere war ein manikürter Park mit Fuchsrosen und Stelen unter den Augen der stuckgefassten Erkerfenster von Nigh Sump. Ori behagte die Gegend nicht. Er war in Dog Fenn groß geworden. Nicht in dem Bandendschungel von Badside, nicht ganz so schlimm, aber Ori war als Kind durch das verschachtelte Gewirr von Häusern gestromert, die eine mit leeren Taschen einhergehende Findigkeit den Notwendigkeiten angepasst hatte, über Plankenstege, von denen man auf Wäscheleinen und

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