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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Eisernen Rats zur Anwendung kamen. Sie hätten sie nicht vor der Miliz gerettet. Die Dirimisten gaben sich alle Mühe, ihren Verfolgern Steine in den Weg zu legen – manchmal buchstäblich. Sie sprengten Brücken, füllten Gräben mit Geröll. Judah konstruierte Golemfallen, die nur von einer aus mehreren Personen bestehenden Gruppe ausgelöst werden konnten. Er baute so viele wie möglich, und jede einzelne zehrte an seinen Kräften. Cutter malte sich aus, wie der Boden sich wölbte, aufbrach, einsank, zu einer Gestalt aus Stein wurde, aus umgestürzten Bäumen, dem Wasser eines Bachlaufs, je nachdem, wo Judah die Falle eingerichtet hatte. Anstelle eines Bewusstseins nur ein Befehl, unauslöschbar und einfach: Kämpfe! Die Substanz des Festlands, nicht toll geworden, aber geordnet, erhob sich und zerschmetterte die Miliz mit ihren Fäusten.
    Falls die Miliz bis dorthin kam, wo die Golems warteten, was Cutter für durchaus wahrscheinlich hielt. Einige von ihnen würden auf dem Marsch sterben, aber viele am Leben bleiben. Waren sie erst gelandet, hatten sie die Spur des Rats gefunden, konnten selbst Judahs mächtige Golems sie nicht mehr aufhalten. Früher oder später mussten die Soldaten auf die Nachzügler stoßen, diejenigen, die nicht hatten Schritt halten können. Der Eiserne Rat setzte seine Hoffnung auf den Malakornukopischen Fleck. Er sollte ihre Spur verwischen.
     

     
    »Hätte nicht gedacht, diesen Anblick noch einmal zu erleben«, meinte Judah. Sie standen auf einer felsigen Anhöhe über der Trasse, der lang auseinander gezogenen Karawane von Männern und Frauen, zu Fuß oder auf Lasttieren reitend, die Planierer begleitend, sich ihnen als Helfer zugesellend.
    Und wenn der Rat plötzlich seine Politik ändert?, dachte Cutter. Wenn auf halbem Weg die Mehrzahl aufgeben will und umkehren?
    Dort. Hinter ihnen sank die Sonne. Im Untergehen bekam ihr Leuchten einen grünlichen Schimmer, wie ein Anflug von Patina. In diesem kränklichen Licht schauten sie nach Nordosten, ins Innere des Tausendplagenlands. In wenigen Wochen hatten sie eine Strecke von mehreren hundert Meilen bewältigt, und hier waren sie nun, am Rand des Malakornukopischen Flecks.
    Cutter wurde flau bei dem Anblick. »Qurabin«, sagte er, »offenbare uns ein Geheimnis. Was ist er? Was geschieht dort?« Irgendwo dicht bei ihnen ein raschelndes Geräusch.
    Die Stimme des Mönchs ließ sich vernehmen: »Einige Geheimnisse sollten Geheimnisse bleiben.«
    Eine Landschaft des Torques. Aufgewühlt von dessen unbeschreiblicher zerstörerischer Energie, schöpferischem Wüten, einer uferlosen Fruchtbarkeit. Kaleidoskopische Vistas. Wir sehen nicht, was es wirklich ist, dachte Cutter. Dies ist nur einer seiner Aspekte. Nur eine Möglichkeit zu sein.
    Selbst hier im Randbereich des Malakornu war alles im Übergang, halb echte Geographie, halb Albtraumkulisse. Es war erbarmungslos, Felshörner und Bäume, die aussahen wie Felshörner, Wälder mannshoher Pilze und Farne, neben denen Krüppelkiefern zwergenhaft wirkten und, in größerer Entfernung, die flache Wanne eines ausgetrockneten Flusslaufs, wo der Eindruck entstand, dass der Himmel sich zwischen überhohe Auswüchse zu drängen suchte. Nirgends eine Bewegung. Und dieses Ungefähr erstreckte sich bis zum Horizont – viele Meilen, die zu überwinden waren.
    Cutter konnte nicht sagen, ob er Berge sah oder Insekten, die dicht vor seinem Auge schwirrten: Letzteres konnte nicht sein, das wusste er, aber die Unmöglichkeit, mit dem Blick etwas zu erfassen und festzuhalten, verwirrte ihn. War das ein Waldgebiet da hinten? Viele Meilen groß? Oder war es nicht ein Wald, sondern eine Teergrube? Oder das auch nicht, sondern stattdessen ein Meer aus Knochen oder ein Gitterrost, eine Mauer aus tesselierter Kohle oder Schorf von der Grundfläche einer Stadt.
    Er konnte es nicht erkennen. Er sah einen Berg, und der Berg hatte eine neue Form, und der Schnee auf dem Gipfel war von einer Farbe, die Schnee nicht haben sollte, und war nicht Schnee, sondern etwas Lebendiges und zwischen Licht und Schatten changierend. Die Materie reckte der heraufziehenden Dunkelheit Tentakel entgegen, die mächtig sein mussten wie Bäume. Lichter am Himmel, Sterne, dann Vögel, Monde, zwei oder drei Monde, die Bäuche kilometergroßer Leuchtkäfer, und nichts mehr.
    »Ich werde nicht klug daraus.« Qurabins Stimme war furchtbar. »Es gibt Dinge, die der Augenblick des Verborgenen und Verlorenen nicht weiß oder sich fürchtet

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