Der Eiserne Rat
Eiserne Rat kreuzte Fährten: spitz in den Boden gestanzt die Abdrücke eines Echinoideus Rex, die unverwechselbare Kriechspur eines Inchman oder Bucklers, Klumpen zusammengeballter Erde im Abstand von vier oder fünf Metern.
Von den durch den Torques-Beschädigten und durch Raubtiere Verletzten retteten sie so viele wie möglich; der Viehwaggon wurde zum Krankenhaus umgebaut. Andere mussten sie begraben. Traditionsgemäß gaben sie ihnen einen Platz der Strecke voraus. Einmal stießen sie beim Ausheben eines Grabes auf die Gebeine einer ihrer Ahnfrauen, auf der Hinfahrt ums Leben gekommen, und mit allergrößtem Respekt bat man sie um Vergebung und bettete den jüngst Verstorbenen neben ihr zur ewigen Ruhe.
»Das kann nicht richtig sein«, ereiferte sich Cutter. »Wie viele werden wir noch verlieren? Wie viele müssen sterben?«
»Cutter, Cutter«, ermahnte ihn Ann-Hari. »Beruhige dich. Natürlich ist es schrecklich, aber wenn wir geblieben wären, hätte die Miliz uns alle getötet. Und, Cutter, beim ersten Mal sind viele, viele mehr ums Leben gekommen. So viele mehr. Wir lernen. Der Ewige Zug ist eine Zuflucht. Er ist gefeit.« Täglich wurden die Köpfe neuer Raubtiere an den Zug gehängt. Er wurde zu einem grotesken Museum der Jagd.
Wann immer Cutter Drogon sah, befand der Wisperschmied sich in einem Zustand unaufhörlichen Staunens. Er genoss die Jagd sogar in dieser ungastlichen Umgebung. Wohin sie auch kamen, schaute er sich mit offenen Augen um, verfolgte ihren Weg durch Klüfte und über Felsbänder, studierte die Bewegungen des Malakornu, prägte sich seine Eigenheiten ein, bemühte sich, ihn zu verstehen. Das war eine Möglichkeit, die Situation zu bewältigen. Cutter zog eine andere vor: Er wollte es hinter sich haben, wollte, dass es vorbei war.
Er ging mit den Prospektoren, die Holz herbeischafften, Braunkohle, Torf, alles, was sich in den Kesseln verfeuern ließ. Er brach mit seinen Gefährten auf, um Wasser zu suchen.
Der Hygrotaxiker kam aus dem Tankwaggon, den man den Vodyanoi überlassen hatte. Er hieß Shuechen, war mürrisch und bärbeißig und entsprach damit dem Klischee des typischen Vodyanoi. Cutter gefiel’s. Er war selbst von schroffem, zynischem Wesen und erkannte in den von Natur aus defätistischen Vodyanoi eine Seelenverwandtschaft.
Unterwegs erzählte ihnen Shuechen, in seinem wassergefüllten Sattelsack schaukelnd, von den Debatten, den Splittergruppen unter den Dirimisten, dem Zwist über die neue Politik des Rats. Ehemalige LF ler, Zyniker, die Jungen, die ängstlichen Alten. Man zweifelte, ob die derzeitige Strategie wirklich die richtige war.
Shuech legte die enormen Hände flach auf die Erde, schnüffelte wie ein Hund, schlug klatschend auf den Boden und horchte auf die Echos. In drei Stunden Entfernung vom Zug drang klares Wasser aus dem Fels und sammelte sich in einem Becken, umfasst von Wurzeln, die so wenig Spuren des Torques zeigten, dass Cutter sich einbilden konnte, wieder im Rudewood zu sein. Fast wären ihm die Tränen gekommen.
Sie füllten ihre Wassersäcke, aber dann war es Nacht, von einem Moment zum anderen, als hätte jemand ein Tuch über die Sonne geworfen, und sie schlugen ihr Lager auf. Auf ein Feuer verzichteten sie. »Zu dicht am Fleck«, meinte Shuech.
Aneinander geschmiegt, um sich gegen die durch Mark und Bein kriechende Kälte des felsigen Untergrunds zu schützen, forderten die beiden Remade Cutter und seine Freunde auf zu berichten, was es in New Crobuzon Neues gab. »Rudgutter ist tot? Kann nicht sagen, dass ich von Trauer überwältigt bin. Der Hund war eine Ewigkeit Bürgermeister. Und jetzt ist es die Stem-Fulcher? Jabber sei uns gnädig.«
Sie waren erschüttert über die Veränderungen. »Die Miliz agiert in der Öffentlichkeit? In Uniform? Wie zum Henker ist das gekommen?« Pomeroy gab einen kurzen Abriss des Kriegs der Konstrukte, der Säuberung der Schrotthalden, was man über die Mächte erzählte, die angeblich von dort ihre Fäden gesponnen hatten. Es klang fantastisch, selbst für Cutter, der sich daran erinnerte.
Lange Zeit weigerten sie sich strikt zu glauben, was Cutter ihnen über die Handlinger erzählte.
»Wir wurden von einem verfolgt«, sagte er. »Ich kann euch sagen … Während einer der durch die Wirtschaftskrise ausgelösten Revolten vor ein paar Jahren verkündete Stem-Fulcher plötzlich, sie hätten, keine Ahnung, Kontakt aufgenommen und dass man sie tragisch missverstanden hätte.« Die Handlinger,
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