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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wenn auch der Mönch mit jeder Frage an seinen Augenblick mehr an Substanz verlor. Vorbei an den Posten auf den Barrikaden. Durch Ziegelschluchten zur Hauptpost in Dog Fenn, wo die Delegierten sich trafen. Sie fragten nach den Repräsentanten des Gremiums.
     

     
    Cutter fühlte sich ausgehöhlt. Da kehrte er nach vielen Monaten nun zurück, und seine Stadt war so neu, so bestürzend anders als bei seinem Aufbruch. Erinnerung an das Erlebte stieg auf, an Drey, Ihona, Pomeroy, an die Gebeine unter den Bahngleisen.
    Was ist das für eine Stadt?, hatte er auf dem Weg durch die Straßen gedacht.
    Die Türme der Grand Calibre Bridge, seit Jahrhunderten stolz ragend und von den Wassern des Gross Tar umspült, nun gekrönt von Mörsern, die großmäulig Eisenkugeln in die Stadt blafften. Badside, immer schon verfallen, aber jetzt entstellt von mehr als Armut.
    Allerorten die Straßen verknüpft durch das Alltägliche, das Monströse und das Schöne. Sie waren nicht gänzlich ausgestorben. Soldaten mit Verbänden beobachteten die Gruppe aus Häuserruinen. Angehörige einer von jeher flinken, schreckhaften und jetzt rattenähnlichen Bevölkerung schleppten gebeugt Säcke mit Lebensmittel, Möbelstücke, allerlei Habseligkeiten, von einem Unterschlupf zum anderen. Sie lebten in Angst.
    Der Reisestaub, der Cutter und seinen Freunden anhaftete, trug ihnen neugierige Blicke ein – alle hier waren schmutzig, aber ihr Schmutz war anders –, doch niemand schien die Zusammensetzung ihrer Gruppe bemerkenswert zu finden: zwei Remade und vier echte Menschen (Qurabin war unsichtbar), die ihre erschöpften Reittiere am Zügel führten.
    Auch die beiden Remade hatten Reiter getragen. Der Eidechsenmann, Rahul, war einer von ihnen: Ann-Haris rechte Hand in der Geburtsstunde des Eisernen Rats. Seine Stimme hatte von Uzmans Tod berichtet, auf der Voxiteratortrommel, die Cutter mitangehört hatte. Längst nicht mehr jung, lief er trotzdem auf seinen Echsenbeinen geschwinder als jedes Pferd. Judah hatte ihn auf der letzten Etappe zur Stadt geritten. Ebenfalls Remade war Maribet, eine Frau, deren Kopf man auf den Hals eines Zugpferdes gesetzt hatte, dieses übersät von Vogelkrallen. Elsie durfte sie reiten.
    Viele der jungen, freigeborenen Dirimisten waren erpicht gewesen, mit nach New Crobuzon zu reiten, doch Ann-Hari hatte darauf bestanden, dass der Eiserne Rat keine Hand entbehren könne. Sie würden die Stadt noch früh genug zu sehen bekommen. Man hatte nur diese Gesandtschaft vorausgeschickt.
    Die beiden Remade gafften wie Hinterwäldler. Als könnten sie nicht fassen, was ihre Augen sahen. Sie wanderten durch einen zerstörten Traum ihrer eigenen Vergangenheit.
    Kinder bevölkerten die Straßen. Sie machten die Ruinen zu ihrem Spielplatz. Bomben hatten einen großen Teil der Stadt zerstört, anderes umgewandelt in eine trostlose Phantasie aus sinnlos stehen gebliebenen Mauern, Schutthaufen, bloßgelegten Eisenträgern und Kabelschlangen: Gärten der Verwüstung. Und dazwischen neue Arten von Schönheit.
    Kadabras hatten abstrakte Backsteinskulpturen geschaffen, Zerfall gefärbt, in kühnen Nuancen. An einer Stelle befand sich durch magische Einwirkung eine efeubewachsene Mauer nur noch zur Hälfte im Hier, eine glasartige Ziegelrefraktion. Durch diese Transmutation huschten Hunde und Katzen, stets auf der Flucht in diesen harten Zeiten jagdbares Wild: Die Kollektivisten waren hungrig.
    Seltsame Tableaus. Ein Theaterstück von Bändern, aufgeführt an einer Straßenecke vor Eltern und Freunden, Verzweiflung, Stolz, Freude, Applaus, zu dem Geräusch von Bombeneinschlägen nicht weit weg. Spiralige Symbole an den Mauern. Komplex, einwärts und auswärts gerollt. Qurabin, unsichtbar, stieß ein Zischen aus, als hätte er einen alten Feind erblickt.
    Einmal flammte Panik auf. Jemand flüchtete, als sie eben vorübergingen, unter lautem Geschrei: »Ein Horribel! Ein Horribel!«, vor einem Klecks Farbe. Wie sich herausstellte, war es ein noch feuchtes Graffito, von dessen Lettern sich bunte Rinnsale an der Mauer hinunterschlängelten. Die Frau lachte verlegen über ihre Schreckhaftigkeit. Sirenen heulten, und ein Aerostat zog fischgleich über das Kollektiv hinweg und ließ Bomben regnen, begleitet vom Husten zerstiebender Lehmmauern. Die Leute auf der Straße zuckten zusammen und warfen schräge Blicke zum Himmel, doch wirkten sie eher resigniert als verängstigt.
    Was Kleidung anging, war das Bild beherrscht von einem kühnen modischen

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