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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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folgte dem, der die Antworten wusste, wie ein Hund seinem Herrn, der sich ihm entzieht. Er folgte Spiral Jacobs.
     

     
    Nun gut, hatte er überlegt, die Exekution der Bürgermeisterin wird als ein Element dieses Bürgeraufstands in die Geschichte eingehen. Eine unschöne Tat, aber befreiend, ein Impuls, der die Entwicklung beschleunigte. Der Sieg des Kollektivs war nur mehr eine Frage der Zeit. Die Oberstadt würde sich nicht behaupten können. Hatten im Kollektiv erst die Seditionisten das Ruder in der Hand, konnte man mit vereinten Kräften das Parlament stürzen.
    Die Miliz verhängte eine verschärfte Ausgangssperre über den von ihr kontrollierten Teil New Crobuzons. Die Bürger rebellierten aus Solidarität, kämpften an einigen Stellen um den Anschluss an das Kollektiv, vermochten sich jedoch nicht durchzusetzen. Ori hatte gewartet. Wie ein Tumor wuchs in ihm die trostlose Gewissheit, dass die Ermordung der Bürgermeisterin nichts, nicht das Geringste bewirkt hatte.
     

     
    Als Toro bewegte Ori sich in der Schwärze zwischen den Poren der Realität, kam heraus in der Stille der Nobelviertel, abends, auf dem Mog Hill, unbemerkt, hinter dem Rücken der Zuschauer. Die Hautevolee bejubelte wie beim Feuerwerk das ölige Aufblühen von Brandbomben, das Unlichtglühen des Hexenfeuers von den Thaumaturgen des Parlaments, kommentierte mit kindischen Buhrufen die matten Funken von Heckenhexern des Kollektivs.
    Ich könnte dich töten und dich und dich und dich, überlegte Ori, für meine Brüder und Schwestern, für meine Toten, doch er tat es nicht.
    Viele Nächte hintereinander wartete er in dem Lagerhaus in Kelltree vergebens, dass der eine oder andere seiner Kameraden sich dort einfand. Er dachte, dass Baron vielleicht davongekommen sein könnte, andererseits wusste er, dass der abtrünnige Milizionär die Chance, falls sie sich bot, nicht genutzt hätte. Keiner kehrte zum Treffpunkt zurück.
    Ori bezahlte seine Zimmerwirtin mit Schuldscheinen, die sie gutmütig akzeptierte. Innerhalb der Grenzen des Kollektivs herrschte Zusammenhalt. Manchmal saß er bei ihr, und beide lauschten auf die Artillerie, den Lärm der Scharmützel. Die Gerüchteküche kolportierte, dass das Parlament zum ersten Mal seit zwanzig Jahren Kriegskonstrukte zum Einsatz brachte.
    Er bewahrte den Helm unter seinem Bett auf. Das Stierhaupt. Trug ihn bei seinen nächtlichen Wanderungen, er wusste nicht, warum. Einmal öffnete er sich mit den Hörnern seine arkanen Passagen durch die neuerdings gefährlichen Straßen, vorbei an Posten des Kollektivs, die hier betrunken waren, dort nüchtern und aufmerksam, zu seiner alten Wirkungsstätte, der Suppenküche. Die Obdachlosen zankten.
    Er war in diesen Interimstagen bereits mehrmals dort gewesen. Das Dach war fort, stattdessen Exkremente irgendeines die Mauern zerstörenden Wurms, den das Parlament als Waffe eingesetzt hatte. Die Küche war geplündert. Überall verstreut lagen verblasst und durchweicht die aus ihren Verstecken gezerrten seditionistischen Pamphlete. Deckenhaufen moderten vor sich hin.
    Toro hätte ein Recke des Kollektivs sein können. Helfen, die Barrikaden bemannen, Wege bahnen zwischen kriegskahlen Bäumen und niedergemetzelter Miliz.
    Ori verweigerte sich dieser Rolle. Lethargie nistete sich in ihm ein. Das Gefühl, auf ganzer Linie versagt zu haben, gescheitert zu sein, war lähmend. In den ersten Tagen danach versuchte er, sich im Kollektiv einzuleben, baute Stellungen aus, ging zu den öffentlichen Vorträgen, den Kunstausstellungen, von denen es anfangs viele gab: eine Fassade, hinter der er grübelte, unablässig, was er eigentlich getan hatte. Er wusste es nicht mehr.
    In Syriac sah er einen Horribel. Ein dicker, geschlossener Foliant in fleckigen Nichtfarben, drehte sich in der Luft, aufgehängt an Spinnwebfäden aus Magie. Er saugte Licht und Schatten ein, tötete, ehe er verging, zwei Passanten und hinterließ weiter nichts als das bleiche Gespenst eines Buches, das noch einen weiteren Tag erhalten blieb. Ori hatte keine Angst, studierte die Erscheinung, ihre Bewegungen, ihre Position vor der von Graffiti übersäten Mauer. Zwischen den Obszönitäten und Parolen, den Glyphen ohne Aussage und kleinen Sigillen, entdeckte er die vertrauten Spiralen.
    Ich muss Spiral Jacobs finden.
     

     
    Toro konnte es tun. Toros Augen konnten erkennen, welche der gemalten schneckenförmigen Symbole neu waren. Sie enthielten Thaumaturgie, man konnte sie nicht auslöschen. In Toros

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