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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Gekreuzigter sein Leben aushauchte, bei Jeschua waren es keine drei gewesen. Der Mann, der ihm zu trinken gegeben hatte, lief eilig zu seinem Herrn, den wir heute als Joseph von Arimathäa kennen. Der suchte Pontius Pilatus auf und bat, den Toten bestatten zu dürfen, bevor der Sabbat kam, an dem jede körperliche Arbeit untersagt war. Pilatus, froh, das leidige Jeschua-Kapitel abschließen zu können, erteilte die Erlaubnis sofort.»
    Alexander unterbrach den Heiligen Vater mit einer Frage, die zu den ewigen Streitpunkten unter den Bibelkundlern und Altertumsforschern zählte: «Wo wurde Jesus nun begraben?»
    «Sie haben den leblosen Leib in ein großes Leintuch gewickelt und in ein Grab nahe der Schädelstätte gelegt, das Joseph gehörte. Es wurde mit einem großen Stein verschlossen. Ein Trupp Legionäre nahm davor Aufstellung, um zu verhindern, dass die Anhänger Jeschuas sich hier versammelten oder sich des Leichnams bemächtigten. Nur Joseph wusste, dass ein geheimer Gang die Grabkammer mit der Außenwelt verband.
    Durch diesen Gang führte er Johanan, den die Heilige Schrift Johannes und den Lieblingsjünger Jesu nennt, und einige andere Eingeweihte. Sie flößten dem scheinbar Toten einen Trank ein, ein Gegengift zu dem Betäubungsmittel, das er aus dem Schwamm aufgenommen hatte. Es war ein Wagnis gewesen, und manch anderer hätte es vielleicht nicht überlebt. Aber Jeschua war stark und verfügte über besondere Kräfte. Er konnte andere Menschen heilen und so konnte er auch seinen eigenen Leib rasch regenerieren. Durch den geheimen Gang, den man sorgfältig wieder verschloss, um Joseph nicht zu verraten, folgte er den Freunden in die Freiheit.»
    Nachdem Papst Custos seinen Bericht beendet hatte, herrschte für einige Minuten Schweigen. Alexander brauchte die Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten. Und um aus der Vergangenheit, in die die eindringliche Schilderung ihn gerissen hatte, in die Gegenwart zurückzukehren. Die Lebendigkeit der Erzählung hatte ihn so ergriffen, dass er die Qualen des Gekreuzigten selbst zu spüren glaubte. Sand knirschte zwischen seinen Zähnen und er schmeckte die Säure des Essigwassers.
    Der Bericht des Papstes entsprach in wesentlichen Zügen der Darstellung in den Evangelien. Dass Jesus dort erst auf der Schädelstätte seiner Kleider beraubt wurde, mochte dem Schamgefühl der Evangelisten geschuldet sein. So strebten auch ganze Regale voller theologischer Abhandlungen nur danach zu
    «beweisen», dass der Messias am Kreuz einen Lendenschurz getragen hatte. Doch das war vollkommen unbedeutend, gemessen an der Geschichte mit dem Schwamm und dem, was daraus erwuchs.
    «Wenn Jesus … oder Jeschua nicht am Kreuz gestorben ist, sind alle Berichte über seine Auferstehung von den Toten Makulatur», sagte Alexander stockend. «Und wenn das so ist, können wir unser ganzes Christentum vergessen!»
    «Nicht das ganze Christentum, aber wesentliche Teile», erwiderte Custos. «Jetzt verstehen Sie wohl, warum es im Vatikan Männer gibt, die selbst vor Mord nicht zurückschrecken, um dieses Geheimnis zu hüten. Schon Paulus hat an die Korinther geschrieben, dass unsere Predigt und unser ganzer Glaube vergeblich sind, wenn Christus nicht auferstanden ist. Damit ist die These, er habe für uns gesühnt, hinfällig. Niemand starb für unsere Sünden, und niemand wird uns von der Last unserer Schuld befreien, wenn wir selbst es nicht tun.»
    Alexander schluckte, während er sich der Tragweite dieser Worte bewusst zu werden versuchte. «Ähnliche Gedanken sind auch schon früher geäußert worden – allerdings nicht von einem Papst», sagte er schließlich.
    «Ich spüre Ihren Zweifel sehr wohl, Alexander. Sie fragen sich, ob ich nicht doch der Antichrist bin, der gekommen ist, um den Menschen den rechten Glauben zu nehmen. Hören Sie mir noch ein paar Minuten zu, meine Geschichte ist noch nicht zu Ende.»
    Der Heilige Vater legte den Smaragd zurück in den Kasten, klappte den Deckel aber nicht zu. Er nahm ein Glas vom Tisch und trank einen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr.
    «Die Tempelpriester waren misstrauisch und fürchteten den Rabbiner Jeschua selbst im Tod. Um ihn vor ihren Nachstellungen zu schützen, brachte Joseph ihn mitsamt Frau und Kindern in die Wüste hinaus, wo …»
    «Mitsamt Frau und Kindern?», unterbrach Alexander ihn ungläubig.
    «Jeschua war kein Heiliger, er war ein Rabbiner, ein Prediger.
    Und ein anständiger Rabbiner befolgt das Gesetz, das ihm befiehlt, sich

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