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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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allmählich die Munition auszugehen. Und tief in ihm nagten Zweifel. Markus Rosin schien unerschütterlich in seiner Sicht der Dinge und hatte sich gewiss ausführlich mit diesen Fragen befasst, viel intensiver als er selbst. War am Ende sein Vater derjenige, der Recht hatte?
    Alles spitzte sich auf die Frage zu, die Alexander nun stellte:
    «Wenn ihr, du und die Deinen, so überzeugt seid von eurem Glauben und von der Unwichtigkeit des historischen Jesus, warum fürchtet ihr dann so sehr, dass die Wahre Ähnlichkeit Christi bekannt wird?»
    «Liegt das nicht auf der Hand?» Markus Rosin klang enttäuscht, als habe sein Sohn mit dieser Frage seine Unreife bewiesen. «Gerade du, der du dich so sehr verunsichern lässt, solltest die Antwort kennen. Viele Menschen werden sich durch den Smaragd verunsichern lassen, werden in ihrem Glauben schwanken und sich vielleicht gar der falschen Lehre zuwenden.»
    «Das fürchtest du? Sollten die Menschen nicht frei über ihren Glauben entscheiden? Und sollten sie dazu nicht die Wahrheit kennen?»
    In einer Geste der Ratlosigkeit breitete Markus Rosin die Arme aus. «Du redest, als ginge es darum, die Wahl zwischen zwei Sorten Frühstücksmarmelade zu treffen. Bei oberflächlicher Betrachtung mag es so aussehen, als sei die Frage des Glaubens in unserer säkularisierten Welt belanglos geworden. In Wahrheit gründet unsere westliche Zivilisation auf den Glauben der heiligen römischen Kirche, ist seit zweitausend Jahren Stein für Stein darauf gewachsen und unlösbar damit verbunden. Nimm den Menschen diesen Glauben und du kappst unserer Welt die Wurzeln, lässt sie in Anarchie und Chaos versinken!»
    «Warum hat der Zirkel der Zwölf den Smaragd nicht längst vernichtet, wenn er eine solche Gefahr darstellt?»
    «Wir wollen die Wahrheit nicht vernichten», rief Markus Rosin. «Aber sie muss gut behütet werden, damit die Mächte der Finsternis sie nicht zu ihren Zwecken missbrauchen.»
    «Sprichst du von Papst Custos?»
    «Ja. Er ist der Antichrist!»
    «Das ist nichts als eine Behauptung», entgegnete Alexander.
    «So? Wie geht es deinem Papst denn jetzt? Ist er mit Hilfe seiner Auserwählten von der tödlichen Wunde genesen?»
    «Woher weißt du …»
    Alexander brach mitten im Satz ab. Er durfte nicht leichtsinnig werden, durfte nicht zu viel von den Auserwählten und ihrem Versteck verraten.
    «Ich weiß es nicht, Alexander, ich habe es nur vermutet. Denn es steht in der Heiligen Schrift. In der Apokalypse des Johannes ist der Antichrist beschrieben: Und seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Welt wunderte sich über das Tier. Verhält es sich nicht so mit Jean-Pierre Gardien?»

    «Und wenn?»
    «Dann steht es schlecht um dich, mein Sohn. Denn die Apokalypse berichtet von einem zweiten Tier, das aussieht wie ein Lamm und wie ein Drache redet. Du weißt, dass mit dem Drachen der Teufel gemeint ist, das Böse. Und es sorgt dafür, dass die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt worden ist. »
    Das verschlug Alexander den Atem. Er wollte nicht glauben, was sein Vater mit den Bibelworten zum Ausdruck brachte.
    Früher hatte dieser Mann ihm das Gefühl vermittelt, mehr eine Last als eine Freude zu sein. Dann hatte er, auch vor dem eigenen Sohn, seinen Tod vorgetäuscht. Aber die Unterstellung eben schien das weitaus Schlimmste zu sein, was ein Vater seinem Sohn antun konnte.
    «Du hältst mich für einen Sendboten des Bösen?»
    «Du verleugnest den Glauben, in dem du erzogen wurdest, und redest wie ein Drache gegen die Lehren der Kirche. Du beschützt das Tier der Apokalypse, den Antichrist. Und bei alldem gibst du vor, dem wahren Glauben zu dienen, unschuldig zu sein wie das Lamm. Was soll ich denn davon halten?»
    Alexander sah seinem Vater in die Augen, und was er darin las, irritierte ihn. Er war mit der Absicht, das Haupt der Zwölf zu verurteilen, vielleicht sogar zu töten, nach Brecqhou gekommen. Für ihn hatte festgestanden, dass Markus Rosin sich dem Bösen verschrieben hatte. Jetzt, von Angesicht zu Angesicht, bröckelte das Fundament dieser Überzeugung. Er fand kein Falsch in den Worten seines Vaters, auch nicht in seinem Gesicht, seinen Augen. Die blickten ihn traurig an, legten beredtes Zeugnis von der Enttäuschung darüber, dass er auf der anderen Seite stand.
    «Ich diene nicht dem Bösen!», presste er hervor, als könne er durch die Behauptung allein die Ansicht seines Vaters widerlegen und seine eigenen Zweifel

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