Der Engelspapst
den Fluss, damit sie nicht unseren Feinden zum selben Zweck dienen konnten wie uns. Und so versank die einzigartige Erfindung des Meisters Leonardo im trüben Tiberstrom, um nie mehr gesehen zu werden.
Bevor wir die beiden toten Landsknechte zu ihrem Kameraden ins Wasser warfen, beraubten wir sie ihrer Kleider. Die rochen zwar scheußlich, waren aber trockener als unser Zeug und mochten bewirken, dass die kaiserlichen Wachen uns in der Nacht für die Ihrigen hielten.
Als wir aufbrachen, erregte Signorina Coscia in ihrer zerfetzten, alles andere als wärmenden Kleidung mein Mitleid.
Aber ihr jämmerlicher Aufzug kam uns gelegen. Sollten die feindlichen Wachen, denen wir womöglich begegneten, doch denken, wir führten eine Gefangene mit uns.
Glücklicherweise kam es nicht zu einem solchen Zusammentreffen, was wir der Kurtisane verdankten. Sie führte uns durch schmale, finstere Gassen, weitab von den nächtlichen Feuern des Feindes. Ungeschoren erreichten wir unser Ziel, den vielleicht einzigen Palast im Brückenviertel oder gar in ganz Rom, der vor den Plünderern sicher war. Das großartige Eckgebäude war das Handelshaus der Fugger.
Wir stärkten uns mit Brot, Käse und kaltem Braten, und heißer Würzwein wärmte unsere kalten Leiber. Wir saßen beim Kamin, der eigens für uns beheizt wurde. Auch für Signorina Caterina Coscia wurde gesorgt, doch hielt sie sich in einem anderen Raum der großen Faktorei auf, wo eine Dienstmagd ihr zur Hand ging.
Am Kamin der Stube mit dem reichen Wandschmuck saßen Benvenuto Cellini und mir nur die beiden Faktoren gegenüber, der hochwerte Herr Christoph Muelich aus Augsburg sowie der hochwerte Herr Engelhard Schauer aus Nürnberg.
«Eine Flucht aus der belagerten Engelsburg», murmelte Muelich zum wiederholten Mal und schüttelte ungläubig sein Haupt. «Das ist ein Ding, dass man’s überall erzählen möchte, wär’s nicht so geheim!»
Schauer wirkte nicht so begeistert. Er saß mit hängenden Schultern vor seinem Weinpokal, den er noch kein einziges Mal angerührt hatte, und wiegte den schmalen Kopf mit der vorspringenden Stirn unentschlossen hin und her. Schließlich sah er erst uns und dann seinen Amtsbruder an. Die Augen waren unter den buschigen Brauen fast gänzlich versteckt, weshalb sein Blick düster und zugleich geheimnisvoll war.
«Ihr seid zwei verwegene Kerle, aber verwegen und gefährlich war es auch, zu uns zu kommen. Wir haben großes Glück gehabt, dass der wütende Sturm der Landsknechte und Söldner an uns vorüberfegte. Viele, die sonst den Besatzern in die Hände gefallen wären, haben in der Faktorei Unterschlupf gefunden, und täglich werden es mehr. Das alles bringt Ihr mit Eurer Tollkühnheit in Gefahr.»
Cellini sah den Herrn Schauer mit gefährlich blitzenden Augen an. «Ihr habt verschwiegen, warum Eure Faktorei vor Raub und Mord verschont geblieben ist. Zu Euch kommen die Plünderer, um ihre schwere Beute gegen leichte Wechsel einzutauschen. So macht Ihr mit der Not derer, die Ihr in Eure Obhut nehmt, auch noch ein Geschäft!»
Schauer sprang mit einem solchen Ruck auf, dass sein Pokal umstürzte und der kostbare Wein die Tischdecke rot färbte.
«Wir gewähren Euch Unterschlupf, trockene Kleidung, Wein und Essen, und Ihr macht uns Vorwürfe! Ist das eines Ehrenmannes Art?»
Obwohl Cellini ruhig sitzen blieb, wirkte er angespannt und auf dem Sprung. Mit einem kalten Lächeln erwiderte er: «Ich war nie der Meinung, dass sich nur Ehrenmänner in diesem Raum aufhalten.»
Als Schauer die Kränkung begriff, fuhr seine Rechte an die Seite Doch vergebens, er trug keine Waffe bei sich. Muelich zog seinen Amtsbruder zurück auf die mit weichem Fell ausgelegte Sitzbank.
«Gemach, gemach, Ihr Herren», sagte der Augsburger beschwichtigend und sah zu uns herüber. «Wir sind Kaufleute und unserem Dienstherrn, dem werten Anton Fugger, verpflichtet. Er erwartet einträgliche Geschäfte, das dürft Ihr uns nicht vorwerfen. Nähmen wir das, was die Soldaten uns bringen, nicht gegen Wechsel in Empfang, wäre diese Faktorei keinen Tag länger sicher und auch nicht die Menschen, die hier in ihrer Not Unterkunft gefunden haben. Und vergesst auch nicht, dass wir dem Papst ebenso in Geschäftsdingen verbunden sind wie dem allerkatholischsten König und Kaiser Karl.»
Muelich sprach nicht nur besänftigend, sondern auch wahr.
Nur das weit gespannte Netz der Fugger’schen Faktoreien ermöglichte den reibungslosen Ablauf jenes Ablasshandels, mit dem
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