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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Erinnerung aufsteigen ließ.
    Zwei Ninraé mit zu bleich glänzender Perfektion gestalteter Erscheinung, schlanke Gestalten in grauen, eleganten, jetzt allerdings zerfetzten Gewändern, hatten sich gegenseitig Dolche in die Körper gebohrt und führten sie arkanen Spuren folgend hierhin und dorthin, ihr Fleisch in ein kompliziertes Muster aus Blöcken teilend, während sie sich mit hilflos aneinander geketteten Blicken ins Gesicht sahen und sich dabei gegenseitig ihr Lachen irrer Begeisterung spiegelten, Blut ihnen im zähen Schwall über Lippen und Kinn quoll. Eine Mischung aus Röcheln, Kichern und ächzendem Würgen drang aus ihren Kehlen hoch, während sie einander massakrierten.
    Himmelsriff brannte aus seinem inneren geistigen Kern heraus.
    Es loderte in seinen feinstofflichen Fugen, es kreischte aus seinen Fundamenten empor.
    Auric irrte fassungslos durch diese rasende, außer Kontrolle geratene, zu blutigem Wahnsinn entartete, fremdartige Welt. Sekainen hielt sich eng an ihn. Ihre Blicke zuckten wie bis ins tiefste Mark verstört umher. Ihre Augen waren weit und starr, als sei sie in einem Schockzustand.  
    Irgendwann, als er seine Räume verlassen und die anderen Teile der Ninraéfeste kennengelernt hatte, war Auric der Gedanke gekommen, dass Himmelsriff einem Ort gliche, der von Geistern heimgesucht und geprägt wurde, dass es der kollektive Geist der Ninraé sei, der hier spukte, der die geistige Architektur von Himmelsriff gestaltete. Dieser Spuk, dieser Geist, war nun wahnsinnig geworden und loderte nun im hellem Brand seiner irren Raserei weithin alle Grenzen brechend empor.
    Was war hier geschehen?
    Auric rannte, Sekainen eng bei sich haltend, weiter, wich Kämpfenden aus, die ganze Zeit nach irgendetwas Ausschau haltend, was ihm Anhalt liefern, was ihm irgendeine Orientierung bieten konnte. Der alles durchdringende Geruch zerrte vage und irritierend an den Fasern seiner Erinnerung, doch das Benennen, sein Erkennen entglitt ihm immer wieder. Er fischte ein Gesicht aus dem Chaos, eine Richtung geraden Laufs in all dem erratischen, wimmelnden Veitstanz.
    Es war Cedrach, der sie jetzt entdeckte und geradewegs auf sie zulief.
    „Was ist passiert?“, rief ihm Auric entgegen.
    „Die Zeremonie, sie war eine Falle. Alle sind durchgedreht. Der Trank war ein Gift. Bogenfall des Lichts ist verrückt geworden.“
    „Was?“
    Auric konnte Cedrach nur entgeistert anstarren. Ausgerechnet Bogenfall des Lichts , der sich in letzter Zeit immer wieder für ihre kleine Gemeinschaft eingesetzt hatte, der sich so großzügig gegenüber ihm erwiesen hatte und ihn zu Kudais Begräbnis hatte ins Geisterland gehen lassen? Er hatte schon eimal einen wahnsinnigen Silaé erlebt, aber ausgerechnet Bogenfall des Lichts …
    „Ein Gift? Wie ein Gift?“
    „Ich weiß nicht wie. Darachel hat es bemerkt und versucht, den Rest zu warnen, aber es war schon zu spät. Sie versanken alle in Raserei.“
    „Darachel? Darachel war auch bei der Zeremonie?“
    „Ja, das hat uns auch überrascht. Er sagte, er habe es sich anders überlegt, wegen Bogenfall des Lichts und –“
    „Wer war sonst noch von uns dabei?“
    „Ein paar schon. Nur wenige vom engsten Kreis. Fianaike hat den Trank genommen. Ich bin hinter ihr her. Ich wollte sie in Sicherheit bringen, vor sich selbst schützen. Sie ist vollkommen durchgedreht. Ich habe sie in dem ganzen Chaos aus den Augen verloren.“
    Sekainen stieß einen Schrei aus, ihre Blicke fuhren zu ihr herum.  
    Sie hatte die Hände zu den Schläfen gehoben, sah sie mit dem Ausdruck der Dringlichkeit an. „Eine Konklavberührung. Sie ist plötzlich hochgeflammt und hat mich gestreift. Jemand muss in äußerster Gefahr sein, wahrscheinlich jemand, der mit uns zusammen magische Forschungen betrieben hat.“
    „Ja“, warf Cedrach ein, „ich spüre es auch.“ Falten tiefer Konzentration stiegen zwischen seinen Brauen auf. „Es ist Béal. Er und eine Gruppe des Neuen Rings haben sich zu dem Terrassenraum, unserem Versammlungsort zurückgezogen. Sie müssen sich verteidigen. Sie werden von anderen Ninraé, die den Trank genommen haben, angegriffen.“
    „Dann hin!“, rief Auric. „Wir müssen ihnen helfen.“
    „Was ist mit Fianaike?“
    „Wie sollen wir sie in dem Chaos finden?“ Ein Stich durchzuckte Auric beim Gedanken an die zarte, sensible Ninra, die ebenfalls dieser Raserei erlegen war, aber das, was er gesagt hatte, war leider die nackte Wahrheit. „Es wäre ein reiner Zufall dazu nötig

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