Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
Vom Netzwerk:
prallte gegen einen Stamm.
    Jäh explodierte die Dunkelheit in das Strahlen eines Sommertages. Das Licht reichte bis weit in die Bäume. Geblendet beschattete Grishan die Augen. Eine winzige Sonne war aufgegangen, doch anders als ein Feuer oder die wahre Sonne verbreitete sie keine Wärme. Seine Augen gewöhnten sich an die plötzliche Helligkeit. Das Samtsäckchen lag neben dem Kristall. Wo war Mica? Grishan entdeckte ihn schließlich am Rande der Lichtung unter einem niedrig hängenden Ast. Wenn er selbst geblendet war, musste der Vampir regelrecht erblindet sein. Seine Augen konnten an so viel Licht nicht gewöhnt sein.
    „Beschatte deine Augen, Mica“, rief er ihm zu.
    Mica reagierte nicht. Anstatt den Ratschlag anzunehmen, sah er sich um. Seine Augen wirkten riesig, wie bei einem Kind, das vor einer Überraschung stand. Mit einem Lachen breitete er die Arme aus. Das Licht setzte goldene Lichter in sein Haar und sogar in das Türkis seiner Augen. Seine weiße Haut schien von innen zu leuchten. Vor Grishan stand ein wahrhaft gottgleicher Mann, der das Licht geradezu inhalierte.
    „Diese Farbenpracht! Grishan, kannst du sie sehen, all diese Farben?“
    Er hatte es schon oft gesehen, das dunkle Grün der Tannen, das satte Braun des Waldbodens. Auf dieser kleinen Lichtung gab es außer Grün und Braun keine Farben und doch glichen sie für Mica einer Offenbarung. Er schien die ganze Welt umarmen zu wollen und begann sich im Kreis zu drehen. Trunken. Euphorisch.
    „Diese unglaubliche Schönheit! Schau dich um. Jede kleine Tannennadel ist ein Märchen. Sieht so ein Sommertag aus? So strahlend und herrlich?“
    „Ja, an einem sehr heißen Tag sieht es so aus. Mica, hör auf, dich zu drehen.“
    „Es ist wundervoll! All die Jahrtausende ist er mir entgangen, der wahre Glanz dieser Welt. Uns allen wurde er verwehrt. Und nun ist der Spiegel der Sonne mein!“
    So war es nicht abgesprochen. Grishan ging auf ihn zu. „Du wolltest den Kristall an die Asrai zurückgeben. Das war dein Plan!“
    „Ich bin der Goldene und war einst ein Gott. Wer, wenn nicht ich, könnte die Asrai überzeugen? Ich werde mit ihr verhandeln und ihr einen anderen Schatz anbieten. Man kann über alles verhandeln. Dieser Kristall ist für mich bestimmt.“
    Das hatte Branwyn auch gedacht. Wenige Augenblicke hatten ausgereicht, um Mica zu betören. Grishan öffnete den Mund, ahnungslos, welche Argumente den Großmeister der Vampire zur Vernunft bringen konnten. Juvenal hätte es gewusst, aber er versteckte sich vor dem Vollmond und konnte das Haus nicht verlassen.
    Mica hielt in seinen tänzerischen Kreisen inne und senkte die Arme. Die leuchtenden Türkise richteten sich auf einen Punkt in Grishans Rücken. Was kam als Nächstes?
    „Marie!“ Micas Stimme brach. „Du bist hier, so wie es sein sollte und ich es mir immer gewünscht habe. Sieh her, all dasLicht. Es hat dich zu mir zurückgebracht.“
    Geistesgegenwärtig hastete Grishan über die Lichtung und wirbelte erst an ihrem Ende herum. Verflucht! Er glaubte keineswegs, dass die Frau unter den Tannen tatsächlich Marie hieß, obwohl ihr Gesicht Ruhe und eine tiefe Liebe ausstrahlten. Sie war hübsch, aber keineswegs eine Schönheit. Das Strahlen des Kristalls hatte die Asrai angelockt. Mit ihrem Erscheinen fielen die ersten Tropfen aus dem Nachthimmel. Silberne Nadeln im Gleißen eines Sommertages, ohne eine Spur von Wärme. Mica ging beschwingt auf die Kreatur zu.
    „Mica, bleib stehen!“, brüllte Grishan.
    Er musste handeln, um Mica aus seinem Rausch in die Realität zurückzuholen. Noch wenige Schritte und er befand sich in Reichweite der Asrai. Wild blickte Grishan sich um. Was sollte er bloß unternehmen? Weshalb war ausgerechnet er allein mit einem verblendeten Vampir? Micas unbeschwertes Lachen ließ ihn schaudern. Es gab nur eine Möglichkeit. Das Samtsäckchen. Grishan sprintete über die halbe Lichtung und schlug auf die Knie. Beinahe hätte er danebengegriffen.
    „Endlich“, blubberte die Asrai. „Endlich habe ich dich gefunden. Dein Diebstahl wird dich die Ewigkeit kosten, Vampir.“
    Grishan erhaschte das Säckchen und eine Handvoll Tannennadeln und warf alles über den Kristall. Er schloss die Faust darum und stülpte den Stoff um. Die Schwärze kam so überfallartig wie zuvor das Licht. Für wenige Herzschläge war er blind. Ein tobsüchtiges Brüllen füllte seine Ohren. Die Faust um das Säckchen geballt, riss er den Kopf in die Höhe. Direkt vor ihm schlugen zwei

Weitere Kostenlose Bücher