Der Geist des Highlanders
wäre ihr klar gewesen, dass er sie nicht ernähren konnte.«
»Und die Kinder?«
Er blickte auf seine Hände. »Als sie mit dem Franzosen weglief, nahm sie die Kinder mit. Aber die Dummköpfe wussten ja nicht einmal, wo Osten war, wenn sie direkt in die Morgensonne sahen, und sie haben sich hoffnungslos verirrt. Nach vierzehn Tagen schickten sie einen Boten zu mir und baten mich, ihnen zu helfen.«
»Und, haben Sie ihnen geholfen?«
»Natürlich!«, rief er aus und blickte sie empört an. »Für wen haltet Ihr mich?«
»Für einen ehrenhaften Mann«, erwiderte sie rasch. Vielleicht ein bisschen reizbar, aber nach siebenhundert Jahren Herumspuken war das wenig verwunderlich.
»Es hat mir aber nur Unglück gebracht«, fuhr er fort. »Ich war noch nicht weit von zu Hause entfernt, als mich dieser französische Hurensohn ermordete. Aber bevor ich mein Leben aushauchte, ließ er mich wissen, dass meine Kinder und meine Frau am Wechselfieber gestorben seien.«
Victoria lief ein Schauer über den Rücken.
»Ich habe ihm mein Schwert in den Bauch gerammt und ihn mit ins Grab genommen.«
»Oh«, sagte Victoria. Ihr wurde ein wenig übel.
»Tief durchatmen«, befahl er.
Sie nickte. Fast erwartete sie, dass Connor nicht mehr da sein würde, wenn sich das Zimmer nicht mehr um sie drehte.
Aber als der kleine Schwächeanfall vorüber war, saß er immer noch auf seinem Stuhl.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass ich Sie gefragt habe, und es tut mir auch leid, dass ich das Stück vorgeschlagen habe ...« »Warum?«, unterbrach er sie. »Glaubt Ihr, ich bin der Aufgabe nicht gewachsen?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte sie. »Ich glaube sogar, Sie würden Ihre Sache sehr gut machen. Nein, es tut mir nur leid, weil ich all diese Erinnerungen geweckt habe.«
Connor zuckte mit den Schultern. »Sie sind sowieso immer da, Ihr habt also nichts hervorgeholt, was nicht auch durch tausend andere kleine Dinge ausgelöst wird. Vielleicht erlöst mich das ja auch von den schmerzlichen Gedanken.«
Victoria wollte ihm gerade zustimmen, als von der Diele her Lärm ertönte.
Michaels Stimme übertönte alle anderen.
Sie klang nicht nüchtern.
Connor verzog grimmig das Gesicht. »Wenn Ihr möchtet, kümmere ich mich um sie.«
»Wenn ich es mir leisten könnte, dass die meisten meiner Schauspieler dann sofort zum nächsten Flughafen flüchten, würde ich Ihr Angebot sogar annehmen.« Victoria erhob sich seufzend. »Ich werde schon alleine mit ihnen fertig, aber trotzdem vielen Dank.«
Connor stand ebenfalls auf. »Und ich danke Euch, dass Ihr mir mit dem Text geholfen habt.«
»Es war mir ein Vergnügen.«
»Nein, das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.«
Victoria versuchte sich einzureden, dass dieses Schwächegefühl von dem Gedanken an entgangene Umsätze und schlechte Presse wegen betrunkener Schauspieler verursacht wurde. Es konnte doch auf keinen Fall etwas mit dem Mann zu tun haben, der ihr gegenüberstand und ihr das Gefühl gab, klein, zerbrechlich und schutzbedürftig zu sein.
Grundgütiger Himmel, sie verlor tatsächlich den Verstand.
»Ich muss jetzt gehen«, stieß sie hervor.
Er trat einen Schritt zurück und verbeugte sich tief. Und als er sich wieder aufrichtete, stand in seinen grauen Augen etwas, das weder Feindseligkeit war, noch Zorn.
Aber vielleicht war ihr Blick nur getrübt, nachdem sie sich so lange mit einem mittelalterlichen Laird unterhalten hatte. Laird MacDougal war weder ihre Liga, noch kam er aus ihrem Jahrhundert oder war auch nur ein Sterblicher. Und außerdem war sie doch in Michael Fellini verliebt.
Ja, ganz bestimmt. Oder?
»Ich muss jetzt gehen«, wiederholte sie, drehte sich um und stürmte davon. Sie lief direkt ein paar Schauspielern in die Arme, die etwas angetrunken durch die Diele stolperten. Nun, dieses Problem ließ sich mit einer lauten Stimme und ein paar Drohworten jederzeit lösen.
Sie hatte jedoch keine Ahnung, was sie mit dem Dilemma tun sollte, das sie im Wohnzimmer zurückgelassen hatte.
9
Connor stand auf der gerade erst fertiggestellten Bühne hinter dem Darsteller des verstorbenen Königs von Dänemark. Kurz schoss ihm durch den Kopf, ob er nicht eine Aufgabe übernommen hatte, der er gar nicht gewachsen war. Und es ging gar nicht darum, dass er gestern seine tiefsten Geheimnisse ausgeplaudert hatte.
Nein, die Probleme lagen hier vor ihm. Bei allen Heiligen, konnte dieser Idiot eigentlich nichts anderes als herumzumarschieren und
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