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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Treppenhaus schob. Die Mädchen waren nicht ganz so störrisch. Der Sparkassenangestellte der sich auf dem Balkon zu einem Schläfchen ausgestreckt hatte, mußte erst noch gesucht und geweckt werden. Endlich fiel hinter dem letzten die Tür zu, und Lucia sagte zu Robert: »Muß man bei dir immer Angst haben, daß du dich mit der Polizei anlegst?«
    »Und du? Demütigst du dich immer vor den Bullen?« antwortete er.
    Die Stimmung war also ein bißchen gespannt; der Abend endete, wie das so oft passiert, mit Mißtönen.
    Auch das gemeinsame Bett, in das die beiden stiegen, änderte daran nichts mehr. Sie schliefen Rücken an Rücken ein. Bis zum Morgen war aber alles wieder in Ordnung, und sie holten als knapp Erwachte nach, was sie beim Schlafengehen versäumt hatten.
    Nach dem Frühstück nahm Robert Lucia am Oberarm und führte sie auf den Balkon, dessen Lage es mit sich brachte, daß ihnen die Morgensonne schräg ins Gesicht schien. Lucia war noch nicht angezogen. Ihre Bekleidung bestand aus Nachthemd und Morgenrock.
    »Sieh dir das an, ist das Wetter nicht herrlich?« schwärmte er. »Nicht ein Wölkchen findest du am Himmel.«
    Lucia folgte aber nicht Roberts Blickrichtung hinauf zum Firmament, sondern sie beugte sich übers Balkongeländer und schaute mit skeptischer Miene nach unten. Sie interessierte sich für Spuren, die der Sparkassenangestellte eventuell an der Hauswand hinterlassen hatte. Ihre Befürchtungen waren aber grundlos.
    »Gott sei Dank«, meinte sie erleichtert.
    Robert wußte nicht, was sie meinte und beugte sich ebenfalls über das Geländer, wobei er fragte: »Was suchst du?«
    »Ich habe mich davon überzeugt«, antwortete sie, »daß es nicht nötig ist, dir Eimer und Schrubber zur Reinigung der Hauswand in die Hand zu drücken.«
    Nun ging auch ihm ein Licht auf.
    »Die Kerle vertragen aber auch gar nichts mehr heute«, sagte er mit verächtlicher Miene.
    »Übel wurde ja nur dem einen«, setzte Lucia zu einer zaghaften Verteidigung der Gäste an, die auf ihr Betreiben hin in die Wohnung eingefallen waren.
    Robert winkte jedoch ab.
    »Ach was, hol' sie der Teufel!« Er führte Lucia zurück ins Wohnzimmer. »Weißt du was? Wir werfen uns wieder der Natur in die Arme. Ich bereite rasch das Frühstück zu, und du machst dich inzwischen fertig. Einverstanden?«
    »Was soll ich anziehen?«
    »Irgendwas Hübsches, feste Schuhe vor allem, zum Laufen.«
    Lucia schlüpfte in ihr geliebtes Dirndl aus München, Robert kochte Kaffee in der Küche, soviel hatte er in der Zwischenzeit schon gelernt. Dazu stellte er Weißbrot, Butter und Marmelade auf den Tisch. Sogar an die Zubereitung eines oder zweier weicher Eier hätte er sich auch schon wagen können, aber Lucia verzichtete dankend darauf, als er ihr aus der Küche durch zwei offene Türen die entsprechende Frage zurief. Er solle sich in kein unnötiges Abenteuer stürzen, meinte sie.
    Ehe dann beide ausgehfertig waren, unterbrach er sich beim Abdecken des Tisches, indem er ihren schlanken, jungen Körper auf seinen Schoß zog.
    »Wohin wollen wir heute?« fragte er sie.
    »Zum Sonnenfleck«, erwiderte sie, ließ aber auch alles andere noch in der Schwebe. Es war also mehr eine Frage, als ein Wunsch, den sie geäußert hätte.
    Nein, schüttelte er stumm den Kopf.
    »Zur Burg?« fuhr sie fort. Nun fragte sie es eindeutig.
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Zur Schutzhütte? – Zum Kapellchen? – Zum Stausee?«
    Kopfschütteln – Kopfschütteln – Kopfschütteln. Dazu bekam sie von ihm jedesmal einen Kuß auf ihre kecke Nase.
    »Wohin dann?« gab sie es auf.
    »Wir überlassen es dem Zufall. Wir wandern ins Blaue, über Hügel, Wiesen und Bäche, durch Wälder und Gestrüpp, bis wir wieder ein Plätzchen finden inmitten all der Schönheit und des Frühlings – ein kleines, abgeschlossenes Paradies.«
    »Ähnlich unserem Sonnenfleck?«
    »Den vergißt du wohl nie?«
    »Wie könnte ich! Der Sonnenbrand, den ich davontrug –«
    »Der war doch gar nicht so schlimm«, unterbrach er sie.
    Dann erhoben sie sich, verließen die Wohnung und liefen drei Stunden lang der Nase nach. Sie zogen über Berg und Tal, krochen durch Gesträuch, ließen sich von den zurückschnellenden Zweigen ins Gesicht schlagen, schimpften über Brennesseln, die hüfthoch wuchsen und nackte Stellen ihrer Körper fanden, versanken knöcheltief in nassen Wiesenlöchern.
    »Ich erinnere mich«, sagte Lucia, »daß du dich einmal über Strapazen des Wanderns beklagt hast. Die

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